: Des Mediators letzter Auftritt
RUNDER TISCH
Wenn einer als Mann des Runden Tischs gelten kann, dann er: Franz Schulz, grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Mediaspreeufer, Bethanien, Kotti, Liebig 14 – wo immer ein Problem dräute, hatte Schulz eine Idee: den Runden Tisch.
Nur logisch, dass der 64-Jährige auch am Donnerstag, einen Tag vor seinem Dienstabtritt, noch mal einen solchen einberief. Im Protestcamp der Flüchtlinge, die seit Oktober – und zunehmend verzweifelt – den Oranienplatz besetzen. Diesmal allerdings blieb ein Erfolg aus. Von Schulz eingeladene Bundespolitiker sagten ab. Und die Gekommenen gingen ergebnislos auseinander. Es mutet einer gewissen Tragik an, dass Schulz nach elf Jahren als Bezirksoberhaupt ausgerechnet mit einer gescheiterten Mediation abtritt.
Nur war es von vornherein illusorisch anzunehmen, der CSU-Innenminister werde sich unter die Planen des Protestcamps setzen und dort die deutsche Asylpolitik umkrempeln. Keiner wusste das so genau wie Schulz. Er selbst verhehlte ja nie, dass er mit seinen Runden Tischen nicht nur einen netten Austausch verfolgt, sondern eine eigene politische Agenda: so lange den Konflikt verzögern, bis sich keiner mehr so richtig aufregt. Denn weniges ist so kurzatmig wie Empörung.
Auch beim Flüchtlingscamp schlichtete er mit dem Runden Tisch zunächst das Grummeln der Nachbarschaft. Später bewegte er damit die Asylstreiker zur Aufgabe einer Straßenblockade, bewahrte sie vor einer Räumung und verhinderte eine Zuspitzung des Protests. Der abschließende Misserfolg muss in Relation gesetzt werden: Mehr war erst mal nicht zu holen.
Es ist kein Zufall, dass gerade in dem Bezirk, der sich so gern empört und einmischen will, der Dialog als mildeste Form der Macht kultiviert wurde. Und es ist Schulz’ Verdienst, dass er mit seinen Endlosdebatten gleichermaßen mal Investoren, mal Protestierer, mal Politiker zermürbte. Wenn man dem Grünen eines am Ende seines Regierens nicht vorwerfen kann, dann das: nicht gesprächsbereit gewesen zu sein.
KONRAD LITSCHKO