: Kräftige Watschen für Sarkozy
FRANKREICH Bei den Regionalwahlen erzielen die Sozialisten landesweit den ersten Platz vor der regierenden bürgerlichen Rechten. Grüne landen auf Platz drei vor dem Front National
AUS PARIS RUDOLF BALMER
„Noch ist nichts verloren, noch ist alles offen“, möchte der Premierminister François Fillon glauben. Es tönt wie ein Stoßgebet. Fillon setzt seine letzte Hoffnung auf eine stärkere Mobilisierung der konservativen Wähler am kommenden Sonntag bei den Stichwahlen. Da in der ersten Runde der Regionalwahlen nicht mal die Hälfte der Stimmberechtigten wählen gingen, relativiert der UMP-Sprecher Frédéric Lefebvre die sich abzeichnende Niederlage seiner Partei als bloß halb so schlimm. Nichts kann hingegen vertuschen, dass die konservative Regierungspartei von Präsident Nicolas Sarkozy einen deftigen Denkzettel erhielt. „Ohrfeige“, „Sanktion“, „Desavouierung“, so lauteten die Titel der französischen Zeitungen, die von einem persönlichen Misserfolg des Präsidenten sprechen.
Wie schon vor sechs Jahren gab es bei den Regionalwahlen wegen der Unzufriedenheit mit der nationalen Politik einer Rechtsregierung einen überdeutlichen Linksrutsch. Die Union pour un Mouvement Populaire (UMP) erhielt im Landesdurchschnitt nur 26,2 Prozent der Stimmen. Das ist ein historischer Tiefpunkt für die bürgerliche Rechte. Mit 29,4 Prozent liegen die oppositionellen Sozialisten klar vorn. Das ist eine fast unverhoffte Wende, denn seit der Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen von 2007 steckte die Parti Socialiste (PS) in einer Krise. Jetzt kann sich die von Martine Aubry geführte Partei nicht nur gegen die Regierungspartei erfolgreich durchsetzen, sondern sich auch klar als stärkste Kraft der linken Opposition behaupten. Auch Aubrys persönliche Autorität als Chefin dieser ewig von Rivalitäten zerrissenen und geschwächten PS wird dadurch gestärkt.
Die hauptsächlich von den Grünen gebildete Umweltliste Europe Ecologie erreichte zwar mit 12,5 Prozent ein respektables Ergebnis, das Ausdruck eines wachsenden politischen Umweltdenkens ist, sie kann damit aber die PS-Vorherrschaft nicht in Frage stellen. Das gilt auch für die Linksfront (Kommunisten und Linkspartei), die sich dank zirka durchschnittlich 6 Prozent in Hinblick auf den zweiten Durchgang am 21. März Sozialisten und Grünen zu Einheitslisten anschließen wollen. Die Frist für die Verhandlungen hinter den Kulissen ist knapp. Die neuen Listen müssen schon morgen Abend eingereicht sein. Fast keine Rolle mehr spielt die „blockfreie“ Zentrumspartei Modem von Jean-François Bayrou, der mit 4 Prozent etwa in derselben Kategorie mitspielt wie die extreme Linke (Trotzkisten).
Die hohe Stimmenthaltung von 53,5 Prozent veranschaulicht nicht nur ein Desinteresse, sondern auch eine Frustration, die parallel zu einer auch in Frankreich existierenden Islamophobie das Wiedererstarken des rechtsextremen Front National (FN) erklären kann. Im nationalen Durchschnitt erhielt der FN fast 12 Prozent. Die Resultate, die die Voraussagen übertreffen, erlauben es dem FN, in zwölf Regionen an der Stichwahl am Sonntag teilzunehmen.
Das verkompliziert die Situation für die UMP noch zusätzlich, die für die Stichwahlen keine Bündnispartner hat. Bisher regierte die vereinte Linke bereits 20 von 22 Regionen. Ob für sie gar der angestrebte „Grand Slam“ drin ist, wird sich am Sonntag zeigen. Noch wirklich offen ist das Rennen bloß im Elsass, das neben Korsika die bisher einzige Region in rechter Hand war. Ein Wermutstropfen bleibt den Sozialisten. Der wegen rassistischer Äußerungen aus der PS ausgeschlossene Georges Frêche wird aufgrund des starken Abschneidens seiner unabhängigen „linken“ Liste am Sonntag wohl als Vorsitzender der Region Languedoc-Roussillon wiedergewählt.