Atomares Gekuschel

VON SVEN HANSEN

Die USA und Indien haben sich gestern beim Besuch von US-Präsident George W. Bush in Delhi auf ein Atomabkommen geeinigt, obwohl Indien nicht dem Atomwaffensperrvertrag angehört. Nach Indiens letzten Atomtests 1998 hatten die USA ihre seit 1974 bestehenden Sanktionen noch verschärft.

Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan Singh bezeichneten das Abkommen zur Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Atomenergie als „historisch“. Bush meinte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, es „wird beiden Völkern helfen“. Bei Singhs USA-Besuch im Juli 2005 hatten beide bereits ihre Absicht zu diesem Abkommen bekundet. Um in Kraft zu treten, muss jetzt noch der US-Kongress zustimmen. Das ist keinesfalls sicher. Abgeordnete befürchten, Indien könne künftig US-amerikanische Technik für sein Atomwaffenprogramm verwenden. Auch die „Nuclear Suppliers Group“ der wichtigsten Kernkraft-Lieferländer muss noch zustimmen. Frankreich arbeitet bereits an einem ähnlichen Abkommen mit Indien.

Die Vereinbarung sieht die Trennung des indischen Atomprogramms in einen zivilen und einen militärischen Teil vor. Indien verpflichtet sich, den zivilen Teil unter Aufsicht der in Wien ansässigen internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zu stellen. Dafür bieten die USA Indien den Verkauf von Atomtechnologie an. Indiens boomende Wirtschaft leidet unter Energieknappheit. Bis zuletzt war zwischen Washington und Delhi umstritten, ob Indiens Programm zum Bau eines Schnellen Brüters, der auch zur Produktion von waffenfähigem Plutonium verwendet werden kann, zum zivilen Programm gehört und damit unter internationale Kontrolle gestellt werden soll. Delhi wollte, dass der Schnelle Brüter von internationaler Kontrolle ausgenommen bleibt. Deshalb waren die Verhandlungen in den vergangenen Wochen ins Stocken geraten und es schien lange so, als würde auch während Bushs Visite keine Einigung erzielt.

Für das selbstbewusste Indien war es eine Frage der Souveränität. Kritiker warfen der von der Congress-Partei geführten Regierung bereits einen Ausverkauf indischer Interessen vor. Indiens Atomtechniker sind stolz darauf, ihre Atomprogramme ohne internationale Hilfe entwickelt zu haben.

Anlässlich des Bush-Besuchs legte Indien der USA-Delegation neue Listen zur Aufteilung des Atomprogramms vor. Bis gestern wurden Details des Abkommen nicht offiziell bekannt. Der indische Nachrichtensender NDTV meldete unter Berufung auf ungenannte Quellen, der indischen Regierung sei es gelungen, Schnelle Brüter von ausländischer Aufsicht auszunehmen. 14 der 22 im Bau oder Betrieb befindlichen Atomanlagen würden künftig als zivil eingestuft, die anderen acht als militärisch. Bislang wurden lediglich vier indische Atommeiler von der IAEA überwacht.

Bush sagte, die zivile Nutzung der Atomenergie durch Indien werde den Druck von den Ölmärkten nehmen, was auch US-amerikanischen Verbrauchern nutze. Das Abkommen mit Indien sei Teil der US-Bemühungen, die weltweite Abhängigkeit vom Öl zu beenden.

Bei dem von großen Protesten von Muslimen und linken Gruppen begleiteten Besuch Bushs erklärten beide Regierungen, das bilaterale Handelsvolumen in drei Jahren auf 50 Milliarden Dollar verdoppeln zu wollen. Die USA sind Indiens größter Handelspartner, Indien ist für die USA der am schnellsten wachsende Exportmarkt.

Heute will Bush die südindische Hightech-Metropole Hyderabad besuchen. Am Samstag wird er in Pakistan erwartet. Dort starben gestern bei einem Selbstmordanschlag auf das US-Konsulat ein US-Diplomat und drei Einheimische. Wächter hatten das Auto mit dem Attentäter vom Konsulat abgewiesen, das dann auf dem Parkplatz des benachbarten Marriot-Hotels explodierte. (mit dpa, rtr)