: 20 tote Vögel täglich
Nach der Kritik des Katastrophenforschers hat das Gesundheitsressort reagiert: Ein halbes Dutzend Vögel wird jeden Tag zur Untersuchung geschickt. Tierheim erfreut: Bremer behalten ihre Tiere
Bremen taz ■ Nein, die Bremer Möwe, jener tote Seevogel, den Veterinäre nach größerem öffentlichem Aufruhr vor drei Tagen aus dem Bremer Holzhafen fischten, hatte keine Vogelgrippe. Zumindest hat das Oldenburger Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) bisher nichts entsprechendes verlauten lassen. „Wir haben noch nichts gehört“, sagt Heidrun Ide, Sprecherin des Bremer Gesundheitsressorts. Was sie als gutes Zeichen interpretiert. Denn das heißt: Kein H5N1 gefunden.
An die 100 Vogelkadaver werden derzeit pro Tag in Oldenburg angeliefert. Auch aus Bremen: Fünf bis zehn toten Vögel verfrachtet ein Kurierdienst täglich in die Nachbarstadt, größere Wasservögel allesamt, und nur die, deren Leichen noch relativ frisch sind: in altem Aas lässt sich kein Virus mehr finden.
Noch vor wenigen Tagen hatte der Leiter der Katastrophenforschungsstelle der Universität Kiel, Ralf Dombrowsky, den Bremer Behörden fahrlässige Untätigkeit vorgeworfen – weil sie sich nur für tote Schwäne interessierten, tote Möwen aber links liegen ließen. Inzwischen hat das Ressort seine Suche offiziell ausgedehnt: auf tote Enten, Möwen, Greifvögel und Krähen. Bei diesen Vögeln, begründet Ide, sei auch andernorts das Virus bereits nachgewiesen worden. Diese Kadaver würden, so sie denn nicht zu alt seien, alle zur Untersuchung geschickt, sagte Ide. „Abgesehen von dieser Bräsigkeit in Bremen sind die Leute jetzt etwas aufgewacht“, so Dombrowsky zu taz.
Beim Tote-Vögel-Telefon des Bremer Veterinärdienstes (☎ 361-4035) gehen rund 20 Hinweise pro Tag ein. In rund der Hälfte der Fälle lautet der Rat der Behörde: Kadaver in Plastiktüte packen und in die Restmülltonne werfen. Ein Infoblatt, das Kinder über den Umgang mit Tieren in Zeiten der Vogelgrippe informiert, soll nächste Woche an Kindergärten und Schulen verteilt werden.
Der Hinweis, dass reine Stubentiere nichts zu befürchten haben und auch ihre Halter nicht gefährden, ist bereits angekommen. Im Gegensatz zu anderen Städten werden im Tierheim an der Hemmstraße nicht mehr Vögel als sonst auch abgegeben. „Bei uns ist alles ruhig“, so Sprecherin Gaby Schwab. Dass es dabei bleibt, glaubt sie nicht: „Das wird wohl kommen, wenn wir hier den ersten Fall haben.“
Sollte ein toter Vogel als Vogelgrippevirus-Träger identifiziert werden, will das Gesundheitsressort den Fundort desinfizieren und im Umkreis von drei Kilometern eine „Sperrzone“ einrichten. Wobei „Sperrzone“ eigentlich der falsche Begriff ist. Ausgesperrt werden solle niemand, beteuert Ide. An den Straßen sollen lediglich Schilder mit der Aufschrift „Achtung Geflügelpest“ auf die Zone hinweisen. Es gehe allein darum, eine mögliche Infektion von Nutz- und Haustieren zu vermeiden, so Ide. Katzen und Hunde dürften innerhalb des Gebietes dann nicht mehr frei herumlaufen, Geflügelbetriebe würden gesperrt.
Armin Simon