SAP will keinen Betriebsrat

Bei dem Walldorfer Softwarekonzern sprechen sich nur neun Prozent der Beschäftigten für einen Betriebsrat aus. Doch der Kampf um mehr Mitbestimmung der Arbeitnehmer steht erst am Anfang

VON TARIK AHMIA

Heribert Fieber von der IG Metall will von Niederlage nichts wissen. „Welche Enttäuschung meinen Sie?“, fragt der Gewerkschafter, als er gestern auf die Betriebsratsschlappe beim Softwareriesen SAP angesprochen wird. Am Donnerstagabend hatten 90,1 Prozent der deutschen SAP-Beschäftigten den Versuch abgeschmettert, einen Betriebsrat einzuführen.

Damit ist aber noch lange nicht gesagt, dass es bei SAP auch in Zukunft keinen Betriebsrat geben wird. Schließlich sieht das Betriebsverfassungsgesetz (BVG) bei einem Unternehmen dieser Größe einen Betriebsrat vor. Voraussetzung: Die Betriebsratswahl wird nach § 17 des BVG von drei Mitarbeitern beantragt. Das war auch bei SAP so. Die 9.000 Wahlberechtigten bei SAP haben mit ihrem jetzigen Votum nun nur das Gremium abgelehnt, das die Betriebsratswahl organisieren sollte. Nun können die drei Mitarbeiter gerichtlich durchsetzen, dass eine Wahlkommission innerhalb von 10 Wochen eingesetzt wird. „Bis Montag werden wir entscheiden, ob wir den Rechtsweg gehen“, sagte IG-Metall-Mann Fieber der taz. Freilich hält er einen Betriebsrat für wichtig – damit Mitarbeiter bei Arbeitsabläufen, Arbeitszeit und Einstellungen mitreden. SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp hingegen sagt: „Ein von der IG Metall gesteuerter Betriebsrat widerspricht jeder Vernunft.“

Bisher funktioniere dieser Dialog auf freiwilliger Basis im Aufsichtsrat von SAP.

Gerhard Maier arbeitet als Projektmanager bei SAP und vertritt mit sieben weiteren Kollegen die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des Unternehmens. Auch er hält nichts von einem Betriebsrat, schließlich würden er und seine Kollegen seit Jahren für eine reibungslose Vertretung der Arbeitnehmerinteressen durch den Aufsichtsrat sorgen. Die Geschäftsführung sichere ihnen in einem Vertrag eingeschränkte Mitspracherechte zu.

„Der Vertrag ist jederzeit kündbar und die wichtigsten Mitbestimmungsrechte fehlen“, kritisiert allerdings Heribert Fieber. Bei Konflikten habe die Unternehmensleitung das letzte Wort. Das räumt auch SAP-Mann Maier ein: „Es gibt für Streitfälle kein unabhängiges Schiedsverfahren. Ein Betriebsrat würde aber nur mehr Bürokratie und weniger Flexibilität bringen.“ Bisher seien Konflikte vertrauensvoll gelöst worden.

Derzeit geht es SAP gut. Der Entwickler von Unternehmenssoftware hat seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 21 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro gesteigert. Zwei Drittel der Belegschaft arbeiten in den USA und Asien. 79 Prozent seines Umsatzes macht SAP im Ausland. Doch schon die ersten Beschäftigten fürchten um ihren Job.

Vor allem die 13.000 deutschen Mitarbeiter sind beunruhigt, dass immer mehr Jobs ins Ausland abwandern. Erst gestern kündigt SAP an, seine Entwicklungsabteilung in China noch in diesem Jahr auf 1.000 Mitarbeiter zu verdoppeln. Auch in Kalifornien arbeiten 1.500 Programmierer für SAP, während in Deutschland kaum noch Neue eingestellt werden. „Die IG Metall darf den Erfolgskurs von SAP nicht stoppen“, sagt Dietmar Hopp.

Dabei spricht aus empirischer Sicht nichts gegen Betriebsräte. Der Soziologe Sigurt Vitolz vom Wissenschaftszentrum Berlin hat ihre Wirkung untersucht: „Betriebsräte wirken sich nachweislich positiv auf die Produktivität und das Arbeitsklima in Betrieben aus.“ Verschiedene Studien hätten in Firmen mit einer funktionierenden Mitarbeitervertretung Produktivitätsgewinne bis zu 30 Prozent ermittelt. „Die Mitarbeitermotivation steigt und Probleme können mit Hilfe des Betriebsrates schneller gelöst werden“, sagte Vitolz. Und: Einmal installiert, schätze auch das Management einen Betriebsrat als kooperativ ein.