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Archiv-Artikel

Kein Appetit auf Gen-Mais

AUS GREVEN GESA SCHÖLGENS

„Auf die Trecker, fertig, los!“ – Auf das Kommando hin lassen drei Landwirte ihre Trecker anspringen und fahren herunter vom Parkplatz. Sie folgen einem kleinen Menschenzug. An der Spitze geht eine junge Frau in einem gelben Kostüm, das aussieht wie ein Maiskolben mit Augen und einem Büschel grüner Haare. Nur ihr Kopf und die Hände schauen heraus. Daneben marschieren gutgelaunt einige Bauern in warmen Steppwesten und Latzhosen. Sie tragen ein großes, gelbes Transparent mit der Aufschrift „Kein Genmais auf unseren Äckern“ vor sich her.

An diesem frostigen Mittag sind rund 30 Mitglieder vom „Bündnis für den Erhalt der gentechnikfreien Landwirtschaft in NRW“ im münsterländischen Greven unterwegs. Das Bündnis setzt sich zusammen aus Verbänden von Landwirten, Umwelt- und Verbraucherschützern.

Mitten in einem Gewerbegebiet wollen die Aktivisten gegen den geplanten Anbauversuch von Genmais protestieren, denn heute ist bundesweiter Aktionstag für gentechnikfreie Landwirtschaft. Ziel der Demo ist das Saatgutunternehmen Limagrain, das hier eine Zweigstelle hat. „Wir möchten die Firma mit unserem Beusch überraschen und mit den Mitarbeitern sprechen“, sagt Ralf Bilke, Sprecher des Bündnisses und Agrarreferent beim Bund für Umwelt- und Naturschutz NRW. Der französische Konzern will ab April auf einer Fläche von 550 Quadratmetern gentechnisch veränderten Futtermais aussähen, der resistenter gegen den Schädling Maiszünsler sein soll. Auftraggeber ist das Bundessortenamt, das für die Zulassung neuer Sorten zuständig ist.

Limagrain schweigt

Nur etwa 500 Meter marschieren die Protestler, begleitet von einem WDR-Kamerateam und Journalisten der Lokalpresse. Dann haben sie ihr Ziel erreicht. Ein grüner Lagerschuppen trägt ein Schild mit der Aufschrift „Limagrain Genetics“. Daneben befindet sich ein kleineres Bürogebäude aus roten Backsteinen. Die Bauern stellen sich direkt davor mit ihren Plakaten auf. Einer hat sogar ein Kalb mitgebracht, das sofort von Fotografen und Kameramännern abgelichtet wird. „Als Kunden von Limagrain haben wir ein Recht auf Information“, ruft Mute Schimpf von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft den Bauern zu. Bis jetzt habe sich das Unternehmen noch zu keiner Stellungnahme bereit erklärt, „obwohl wir mehrfach Gespräche angeboten haben.“

Die Rolläden vor den Bürofenstern sind herunter gelassen, obwohl heute Werktag ist. Auch sonst scheint das Gewerbegebiet wie ausgestorben. „Die haben wohl damit gerechnet, dass wir kommen“, sagt Mute Schimpf und lächelt ironisch. Dennoch klingeln sie und Heinz Thuneke, der Geschäftsführer des Bioland-Landesverbands, an der Tür des Büros. Eine Kamera des WDR-Teams filmt beide dabei. Drinnen regt sich nichts.

„Das ist ein Armutszeugnis“, schimpft Bäuerin Ulrike Ostendorff aus Bergkamen. Sie kann nicht nachvollziehen, dass sich Limagrain vor einer Stellungnahme drückt. „Wenn die Firma zu ihren Produkten stehen würde, könnte sie sich doch auch der Konfrontation stellen!“

Biobauer will klagen

Sowohl konventionelle Landwirte als auch Biobauern fürchten, dass die Gentechnik einen Keil zwischen die Bauern treibt. Schon jetzt haben einige bereitwillig ihre Felder für Sortenexperimente zur Verfügung gestellt. „Unser Kreislandwirt als gewählter Vertreter der Bauern hat kürzlich zugegeben, dass er seit sechs Jahren in Werne Genmais anbaut“, erzählt Friedrich Ostendorff, Landwirt und Bundestagsabgeordneter der Grünen. Er habe dies damit gerechtfertigt, dass er „nach allen Seiten offen bleiben“ wolle. „Wieviel Geld er bekommen hat, erzählt er natürlich nicht“, ergänzt Ulrike Ostendorff grimmig. Das Ehepaar kritisiert auch die Haltung der Landwirtschaftskammer, die den Anbau von Genmais begleiten soll, aber faktisch von der Saat bis zur Ernte alles selbst durchführt.

Biobauer Hubertus Brockmann-Könemann aus Greven will sogar gegen den Anbau klagen. Er fürchtet eine Verunreinigung seiner Felder durch Pollenflug, da diese in der Nähe des Genmaises liegen. Doch als er sich Unterstützung vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband holen wollte, riet der, erstmal abzuwarten. „Die stellten sich hinter die Versuche und meinten, es sei wichtig, noch mehr Erfahrungen mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zu sammeln.“ Zudem sei eine Klage wenig Erfolg versprechend hieß es, da Brockmann-Könemanns Silomais-Felder etwa sieben Kilometer entfernt vom Genmais liegen. Soweit könne sich das Saatgut durch Pollenflug nicht verbreiten. „Wenn ich nun klage, muss ich das auf eigene Rechnung machen“, sagt der Landwirt ernst und vergräbt seine Hände tief in den Taschen seiner grünen Latzhose. Mit dem Protest wolle er die Landwirte zum Nachdenken anregen. „Sie sollten sich eine Meinung bilden und wissen, worauf sie sich einlassen.“ Die Konsequenzen der Gentechnik seien schließlich nicht mehr rückgängig zu machen. Besonders Gen-Raps kann sich Experten zufolge mit vielen anderen verwandten Wildpflanzen kreuzen. Der Bauer kritisiert auch, dass die landwirtschaftliche Fachpresse so gut wie nicht über das Thema informiert.

NRW fast gentechnikfrei

Dabei steht der zulässige Anbau in Deutschland kurz bevor. Von der Qualität der Ernte soll abhängen, ob die gentechnisch veränderten Maissorten ab Frühjahr kommenden Jahres endgültig zugelassen werden. Umweltschützer warnten beim Aktionstag vor Faunaschäden und den Risiken für Wirtschaft und Gesundheit. Sie befürchten, dass die von der Pflanze produzierten Bt-Toxine nicht nur die Maiszünsler-Larven, sondern auch andere Insekten schädigen könnten. „Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist der Anbau unsinnig“, sagt Mute Schimpf energisch. Er bringe den Bauern zusätzlichen Aufwand und neue Kosten, etwa für höhere Saatgutpreise, die Reinigung von Maschinen und getrenntes Lagern und Verkaufen der Ernte. Diese Trennung müsse sein, denn mehr als 70 Prozent der Verbraucher wollten keine genmanipulierten Lebensmittel. Zudem müssten die Bauern einen Trennstreifen mit normalem Mais anpflanzen, damit sich keine Resistenzen gegen das Gift bilden.

Für die Landwirtschaft ist Mais eine wichtige Pflanze. Bundesweit wächst er laut Arbeitsgemeinschaft Bäuerlicher Landwirtschaft auf einer Fläche von insgesamt 1,7 Millionen Hektar, davon sind inzwischen etwa 1.900 Hektar gentechnisch verändert. In Nordrhein-Westfalen gibt es bislang sechs Genmais-Felder in Greven, Borken, Köln, Aachen und Werne mit einer Gesamtfläche von 5.150 Quadratmetern. Außerdem wachsen auf Versuchsflächen Zuckerrüben und Raps.

Auf der Homepage des Bundesministeriums für Verbraucherschutz informiert ein Standortregister über den Ort des Anbaus und die Flurstücknummer. Persönliche Daten des Bewirtschafters werden den Angaben zufolge nur weitergegeben, wenn ein berechtigtes Interesse besteht. Der BUND kritisiert, dass sich für viele die exakte Lage nicht erschließt. Die Genbauern können ihre Identität hinter den Flurstücknummern verstecken. Deswegen haben die Umweltschützer ein eigenes Register ins Netz gestellt.

„Bislang ist die deutsche und europäische Landwirtschaft nahezu gentechnikfrei“, sagt Ralf Bilke, Agrarexperte des BUND und Bündnis-Sprecher. Noch sei ungeklärt, welche Auswirkungen der Verzehr von Gen-Pflanzen für die Gesundheit hat. „Sorgen bereiten vor allem die Entstehung neuer Allergien und Antibiotikaresistenzen.“ Bestimmte Proteine und Gene in den Pflanzen könnten diese auslösen.

Für heute beendet das Bündnis seinen Protest. Die Bauern steigen wieder auf ihre Trecker und brausen davon. Das Kälbchen wird zum Abtransport in einen Anhänger gesperrt. Aber für Mute Schimpf steht fest: „Wir kommen wieder.“ Schließlich kann sich Limagrain nicht ewig hinter seinem Mais verstecken.