: Berlin allein auf weiter Flur
Während andere EU-Länder ihre Arbeitsmärkte öffnen, will sich Deutschland weitere drei Jahre abschotten. Das einzige Bundesland, das die Arbeitnehmerfreizügigkeit einführen möchte, ist Berlin. Heute berät darüber der rot-rote Senat
Geht es um die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Ländern, bleibt Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) ein Rufer in der Wüste. Schon vor der Einführung einer Übergangsfrist durch die rot-grüne Bundesregierung hatte Wolf davor gewarnt, die Chancen einer solchen Öffnung zu verpassen. Vergebens: Ohne eine Frist von mindestens zwei und höchstens sieben Jahren, lautete das Argument von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), sei die Osterweiterung der EU politisch nicht zu vermitteln.
Nun sind die ersten beiden Jahre verstrichen und Länder wie Großbritannien, Irland und Schweden haben von der Öffnung ihrer Arbeitsmärkte profitiert. Dies geht aus einer Vorlage hervor, die Wolfs Senatsverwaltung heute in den rot-roten Senat einbringen wird.
Doch auch die neue Bundesregierung lässt sich von solchen Argumenten nicht überzeugen. Am 1. Mai wird sie die Aussetzung der so genannten Arbeitnehmerfreizügigkeit um weitere drei Jahre beantragen.
Für die Grünen steht deshalb fest: Berlin muss im Bundesrat die Initiative ergreifen und die Verlängerung der Übergangsfrist in letzter Minute stoppen. Zur Begründung sagt die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, Lisa Paus: „Infolge der Beschränkung ist ein Großteil derer, die nach Deutschland kommen wollten, in weniger restriktive Länder abgewandert.“ Voraussetzung für eine Öffnung des Arbeitsmarktes sei allerdings, dass gleichzeitig ein Mindestlohn eingeführt werde.
Darin sind sich die Grünen auch mit dem Wirtschaftssenator einig. In der Senatsvorlage heißt es unter anderem: Bei einer verbindlichen Absicherung der Beschäftigten etwa durch einen gesetzlichen Mindestlohn sei es im Interesse Berlins, die Freizügigkeit so schnell wie möglich einzuführen. Der Forderung nach einer Bundesratsinitiative wird der Senat dennoch nicht nachkommen. Der Grund: Nicht nur Harald Wolf ist ein Rufer in der Wüste, sondern auch Berlin. „Zwar haben sich noch nicht alle Bundesländer entschieden. Aber es ist absehbar, dass alle außer Berlin für eine Fortsetzung der Übergangsfrist sind“, sagt Wolfs Sprecher Christoph Lang.
Spannend ist die heutige Senatssitzung dennoch. Zwar ist die Vorlage mit der Senatskanzlei abgestimmt. Doch Harald Wolf kann sich nicht persönlich dafür ins Zeug werfen. Der einsame Rufer weilt derzeit in Moskau. Es geht um Berlins Chancen im Osten. UWE RADA