Meutereien bedrohen Wahlen im Kongo

Während die Vorbereitung freier Wahlen auf der Stelle tritt, endet eine Vorzeige-Großoffensive gegen irreguläre Milizen im Ostes des Landes vorzeitig mit einer Armeerevolte. Das ist ein schlechtes Umfeld für eine mögliche Intervention der EU

Die neue nationale Armee steht möglicherweise schon wieder vor dem ZerfallOb der für Juni plante Wahltermin eingehalten werden kann, ist derzeit noch unklar

AUS GOMA DOMINIC JOHNSON

Für General Padiri Bulenda war der Aufenthalt in Bunia kein leichtes Unterfangen. Seine Soldaten hatten sich gegen den obersten Militärkommandanten im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo erhoben, er selbst wurde beschossen, als er zu den Meuterern fliegen wollte. Die UN-Mission in der Hauptstadt des nordostkongolesischen Distrikts Ituri bot ihm kein Quartier, und als Padiri sich mit seinen Leibwächtern in einer kirchlichen Einrichtung niederließ, hagelte es lautstarken Protest.

In kurzen Hosen, so berichteten Augenzeugen der taz, saß einer der wichtigsten Generäle des Kongo schließlich morgens ratlos auf der Treppe vor seinem Zimmer, nachdem zahlreiche anderen Gäste die Nacht zuvor seinen Funkverkehr mit Kongos Hauptstadt Kinshasa mithören konnten. Schließlich musste Padiri den Oberkommandierenden der kongolesischen Bodenstreitkräfte, General Sylvain Buki, nach Bunia bitten, um die Wirren in seiner Truppe zu schlichten.

So chaotisch brach Ende letzter Woche zusammen, was zuvor als eine der wichtigsten Offensiven der neuen kongolesischen Nationalarmee FARDC gegen irreguläre Milizen im Osten des Landes angekündigt worden war. Seit Wochen hatte die UN-Mission im Kongo (Monuc) angekündigt, mit Großoffensiven gemeinsam mit der FARDC gegen noch nicht demobilisierten Milizen in Ituri ein Zeichen der Stärke kurz vor den geplanten Wahlen zu setzen. Elitetruppen wurden aus Kinshasa und der größten kongolesischen Militärbasis Kamina ins Kampfgebiet geflogen. Ihre Gegner: Kämpfer von einst verfeindeten Milizen der Hema- und Lendu-Völker. Diese haben sich in einer neuen multiethnischen Koalition namens MRC (Revolutionäre Kongolesische Bewegung) zusammengetan, um für Selbstbestimmung zu kämpfen. Doch statt die Milizen zu bekämpfen, erhoben sich die Elitetruppen gegen die FARDC-Führung, der sie Kollusion mit den Milizen vorwarfen. Sie meuterten und sind bis heute im Ausstand.

Ituri, wo Kämpfe und Vertreibungen zwischen den Völkern der Hema und Lendu 1999–2003 über 60.000 Tote gefordert haben, galt als Vorzeigeregion für die Militärreform. Ihr Ziel ist, die früheren Bürgerkriegsarmeen des Landes in der neuen Armee FARDC zusammenzufügen. Dieser Prozess läuft landesweit mehr schlecht als recht. Das Fehlen einer funktionierenden nationalen Armee ist eine der Hauptsorgen der internationalen Gemeinschaft kurz vor den Wahlen. In Ituri wurden die neuen FARDC-Einheiten im vergangenen Jahr als Erstes stationiert, und dort erzielten sie auch die größten Erfolge. Wenn hier jetzt die wenigen Ansätze für eine neue Armee gleich wieder zusammenbrechen, dann gibt es für Kongos Friedensprozess ein ernstes Problem.

Der FARDC in Ituri wird von lokalen Beobachtern vorgeworfen, schwere Menschenrechtsverletzungen zu begehen und tief in den Schmuggel von Rohstoffen verwickelt zu sein. Das hat dazu geführt, dass die lokalen Milizen, die letztes Jahr von der UNO mehr oder weniger gewaltsam demobilisiert worden waren, wieder Zulauf bekommen. Im April 2005, nach dem Ende eines UN-Demobilisierungsprogramms in Ituri, hatte die UN-Mission die noch aktiven Milizionäre auf rund 2.000 geschätzt. Jetzt gehen Hilfswerke davon aus, dass allein bei der MRC-Koalition im Süden Ituris 10.000 Mann unter Waffen stehen – mehr, als die FARDC dort an Soldaten hat.

Nicht nur in Ituri zeichnet sich ab, dass alte Konflikte unter neuen Vorzeichen als Machtkämpfe innerhalb der neuen Armee ausgetragen werden. Der ganze Ostkongo ist heute wieder von Kriegen durchzogen, die keiner nationalen Logik mehr entsprechen, sondern lokale Machtkämpfe widerspiegeln und sich daher auch dem Zugriff der nationalen Politik entziehen.

Vor diesem Hintergrund bereiten die Verzögerungen der geplanten Wahlen im Kongo zusätzliche Sorgen. Erst vor wenigen Wochen waren die Wahlen von April auf den 18. Juni verschoben worden, weil die Wahlgesetze nicht rechtzeitig fertig waren. Jetzt gilt auch der 18. Juni als fraglich, weil Präsident Joseph Kabila die Wahlgesetze nicht wie geplant am Montag vergangener Woche unterzeichnet hat. Damit können die technischen Vorbereitungen nicht beginnen. Es könnte gut sein, dass es vor dem vereinbarten Termin 30. Juni, an dem eine gewählte Regierung im Kongo die Macht übernehmen soll, überhaupt keine Wahlen mehr gibt.

In diesem Kontext beraten derzeit die EU-Verteidigungsminister in Wien erneut über eine EU-Truppenentsendung zur Absicherung der Wahlen im Kongo – eine auf 800 Soldaten für vier Monate geplante Mission. Nach einem Bericht des Figaro sollen deutsche Soldaten zu Evakuierungszwecken den Flughafen von Kinshasa sichern und Spezialtruppen aus Frankreich und Schweden im benachbarten Kongo-Brazzaville in Bereitschaft stehen. Doch während über diese Truppe gerungen wird, verliert die internationale Gemeinschaft aus den Augen, dass die Wahlvorbereitung selbst auf der Stelle tritt und Kongos Friedensprozess aus dem Ruder läuft.