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Archiv-Artikel

Ein Reumütiger, der sich selbst tötet

Im März 1991 war der Zahnarzt Milan Babić Besuche von Journalisten noch nicht gewohnt. Umgeben von schwer bewaffneten, gefährlich aussehenden serbischen Freischärlern stellte er sich vor dem Bürgermeisteramt in der zu Kroatien gehörenden und damals vor allem von Serben bewohnten Stadt Knin in Positur. Die aufrechte Haltung und der scharfe Blick des Führers aller kroatischen Serben wollte ihm noch nicht so recht gelingen. Sein blasses und teigiges Gesicht erinnerte eher an einen Büroangestellten. Dem damals 34-Jährigen aus dem vorwiegend von Kroaten bewohnten Dorf Kijevo schmeichelte es offensichtlich, von der serbischen nationalistischen Partei zu ihrem politischem Führer gewählt worden zu sein.

Zusammen mit dem Polizeichef Milan Martić und dem Kommandierenden des regionalen Armeekorps, Ratko Mladić, gehörte er jetzt zu den wichtigsten Leuten in Jugoslawien. Denn diese drei entschieden zusammen mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević über Krieg und Frieden auf dem Balkan. Wenn Kroatien sich im Juni 1991 für unabhängig erkläre, käme es zum Krieg, sagte Babić damals im Interview. Ein paar Monate später war es so weit. Mladić’ Truppen griffen als erstes das Dorf Kijevo an, und Martić’ Truppen machten es dem Erdboden gleich. Die nichtserbische Bevölkerung wurde aus den von den Serben eroberten Gebieten Kroatiens vertrieben, tausende dabei getötet.

Babić wurde Präsident der „ethnisch gesäuberten“ Serbischen Republik Krajina. Doch der Krieg zog sich hin. Und die Kroaten griffen drei Jahre später an. 1995 waren es nun die 200.000 Krajina-Serben, die fliehen mussten. Babić ging nach Belgrad, dann ins bosnische Banja Luka. Und begriff langsam, dass er nur eine Puppe im Spiel von Milošević war. Das Volk habe für eine Politik bezahlt, die es nicht zu verantworten hat, sagte er 1998 angesichts der in Bosnien vegetierenden und verarmten Flüchtlinge aus seiner Heimatregion.

2002 sagte er gegen Milošević aus. Und als er 2003 in Den Haag selbst angeklagt wurde, war er einer der wenigen Serben, die sich dem UN-Tribunal freiwillig stellten. Am 27. Januar 2004 erklärte er sich im Sinne der Anklage für schuldig, gab damit die Politik der „ethnischen Säuberungen“ zu und auch, als Teil einer kriminellen Vereinigung gehandelt zu haben. Er ging sogar noch weiter und entschuldigte sich bei der kroatischen Nation für die unter seiner Verantwortung begangenen Verbrechen. Das Urteil fiel mit 13 Jahren milde aus. Was den 48-Jährigen trieb, Sonntagabend in seiner Haager Zelle Selbstmord zu begehen, ist noch ungeklärt. Er sollte gegen seinen Expolizeichef Martić aussagen. ERICH RATHFELDER