: Medizinstudium im Schnelldurchlauf
LEISTUNGSDRUCK Protest an der Universität Göttingen: Die neue Studienordnung der Mediziner führe zu Stress und Diskriminierung, kritisiert das Fachschaftsparlament in einem offenen Brief
Ein Medizinstudium ist intensiv und anspruchsvoll – doch an der medizinischen Fakultät in Göttingen sind die Lernbedingungen besonders hart. Das kritisierten Studierende gestern in einem offenen Brief an die Fakultätsleitung.
Hintergrund ist eine neue Studienordnung, die seit dem vergangenen Wintersemester gilt. Diese habe Leistungsdruck und Arbeitsbelastung im Studium stark erhöht, heißt es in der Erklärung. Scharf kritisiert wird die sogenannte 18-Monate-Frist: So viel Zeit bleibt den Studierenden, um eine Lehrveranstaltung erfolgreich abschließen – sonst folgt automatisch die Exmatrikulation. Nur durch eine Beurlaubung vom Studium kann die Frist verlängert werden. Auch die sogenannte Härtefallprüfung fiel mit der neuen Studienordnung weg: Damit konnten Studierende bisher nach drei nicht bestandenen Prüfungsversuchen gesundheitliche oder familiäre Gründe geltend machen, um ein weiteres Mal zu einer Prüfung zugelassen zu werden. Nun verlieren sie nach drei nicht bestandenen Versuchen ihren Studienplatz.
Für Pauline Wildenauer vom Fachschaftsparlament der medizinischen Fakultät Göttingen ist das Diskriminierung: „Die Fakultätsleitung will gegen angeblich faule Langzeitstudierende angehen – die Leidtragenden sind aber chronisch Kranke, Studierende mit Kindern oder mit pflegebedürftigen Angehörigen“, sagt sie. Diese Personen seien auf ein Mindestmaß an Flexibilität und Selbstbestimmung in der Studiengestaltung angewiesen. Auch wer sich sein Studium durch Nebenjobs finanzieren müsse, könne durch die neuen Regeln abgeschreckt werden. „Überall wird über Chancengleichheit gesprochen – doch hier werden Studierenden ohne wohlhabendes Elternhaus Steine in den Weg gelegt“, heißt es im Brief. Die angehenden Mediziner fordern nun eine Verlängerung der Prüfungsfristen von 18 auf 24 Monate und die Einrichtung einer Härtefallkommission. ANNIKA LASARZIK