: Felszeichnungen im Tassili-Nationalpark
ALGERIEN Mit dem Geländewagen in die Vergangenheit und Gegenwart der Sahara
■ Der Nationalpark ist 80.000 km[2]groß und liegt in der südöstlichen Sahara Algeriens. Der Park mit Hochplateaus, tiefen Canyons, riesigen Sanddünenlandschaften sowie Sand-, Kiesel- und Geröllebenen gehört seit 1982 zum Weltkultur- und Naturerbe der Unesco.
■ Geschichte Seit den 1950er-Jahren wurden hier bedeutende Felsgravuren und -zeichnungen (die ältesten mehr als 10.000 Jahre alt) aus der Zeit vor der Austrocknung der Sahara entdeckt.
■ Reisezeit Am besten geeignet ist die Zeit von November bis Ende April. Reisebegleitung durch einen offiziell zugelassenen Führer ist Vorschrift. Lokale Reiseveranstalter gibt es in und um Djanet.
■ Mitnahme von archäologischen Überresten, Steinen und Pflanzen steht unter Strafe. Ausreisende unterliegen am Flughafen von Djanet einer genauen Kontrolle.
■ Papiere Für Algerien ist ein Visum notwendig, das bei der algerischen Botschaft in Berlin oder beim Generalkonsulat in Bonn beantragt werden muss. Erforderlich ist zudem ein Nachweis, dass ein Reiseveranstalter mit der Organisation der Reise beauftragt wurde. Weitere Infos unter: www.algerische-botschaft.de
■ Lesetipps Gerhard Göttler: „Sahara“. Verlag Du Mont, Richtig Reisen, 2002 Gerhard Göttler, Erika Därr, Klaus Därr: „Algerische Sahara“.Verlag Reise Know how, 2002
VON RENATE FISSELER-SKANDRANI
Das Flugzeug aus Algier landet gegen zwei Uhr morgens in Djanet. Passagiere und Trekking-Touristen drängen sich schlaftrunken in der engen Gepäckhalle. Zügig werden wir in zwei Geländewagen verfrachtet, dann geht es in die Nacht Richtung Schlafplatz À la belle étoile. „Es ist nicht weit“, versichert Malik, der im blauen Tuareg-Outfit am Steuer sitzt. Das Fahrzeug biegt von der Asphaltstraße ab, es schaukelt heftig, als wir im Sand fahren, im Stockdunkeln wieder und wieder scharfe Bögen schlagen, endlos kommt mir das vor; mal halten wir an, geben Lichtzeichen, nähern uns dem zweiten Wagen, um uns sogleich voneinander zu entfernen. In dunkler Nacht gesucht wird nichts weiter als der uns begleitende Pick-up mit dem Koch, der zu nachtschlafender Zeit in seinen Schlafsack gekrochen ist, kein Handyklingeln hört und die späte Verabredung verschläft.
Der 80.000 Quadratkilometer große Nationalpark Tassili n’Ajjer liegt im Südosten Algeriens, mitten in der Sahara; seit den 1950er-Jahren wurden hier mehr als 10.000 prähistorische Felsgravuren und -zeichnungen gesichtet. Wüstenbegeisterte zieht es auch deshalb in diese Region. Die unsicheren politischen Verhältnisse in den 1990er-Jahren haben die BesucherInnenzahlen sinken lassen; auf etwa 3.000 wird sie von Januar bis Ende März 2009 in dem seit 1982 zum Weltkultur- und Naturerbe der Unesco gehörenden Tassili n’Ajjer geschätzt. „Keine rosigen Zeiten für den Tourismus“, bestätigt Malik, Chef der lokalen Reiseagentur, bei der wir direkt gebucht haben.
In Djanet und Umgebung soll es mehrere Dutzend zugelassener Agenturen geben; einige sind im Internet zu finden. Soweit möglich organisieren sie eigenständig Wüstentouren, auf dem Rücken von Dromedaren, zu Fuß oder im Jeep. „Zwei, drei Reisegruppen pro Saison wenden sich direkt an mich“, erzählt Malik, „ansonsten biete ich meine Dienste europäischen Reiseveranstaltern an.“
Für unsere neunköpfige Gruppe rollen drei Fahrzeuge, und eine professionelle Begleitmannschaft ist am Werk, bestehend aus Malik und seinem Sohn, zwei Fahrern, die auch als Küchengehilfen zupacken, einem Koch und wechselnden Wanderbegleitern.
Zwölf Tage im Jeep durch die westlichen Ausläufer des Hochplateaus Tassili n’Ajjer (Plateau der Flüsse); durch zerklüftete Felsformationen von bizarrer Schönheit, weite Sand-, Kiesel- und Geröllebenen, endlose Sanddünenlandschaften des Erg Admer zu verschiedenen Fundorten von Felsbildern.
Eine Reise in die Vergangenheit der Sahara vor ihrer Austrocknung: Die Gravuren und Malereien mit ihren vielfältigen Motiven sowie zahllose Funde aus dem Neolithikum – Speerspitzen, Tonscherben, Faustkeile – erzählen vom Leben tausende von Jahren vor unserer Zeit. Gerade das immer trockener werdende Klima begünstigte die Konservierung der Felsbilder.
„Erst die Schuhe ausziehen“, fordert uns der Wächter der berühmten Gravuren von Tin Taghirt auf, dann dürfen wir auf dem schiefergrauen, lang gezogenen Felsen vorsichtig herumspazieren und die eingeritzten, sich mitunter überlappenden Felsbilder anschauen: menschliche Figuren, Giraffen, Strauße, Kühe; zu den schönsten zählen die Schlafende Antilope und die Gelockte Kuh.
In der Nähe von Tin Taghirt steuern die Jeeps ein kleines Camp von Halbnomaden an. Prekäre Unterkünfte aus zusammengebundenen Stofffetzen, Erwachsene und Kinder kommen auf uns zu. Eine schwarz gekleidete Frau reicht mir die Hand, deutet dann auf ihre Knie- und Handgelenke, so begrüßt sie auch andere Gruppenmitglieder. Blanke Bedürftigkeit prallt auf voyeuristische Hilflosigkeit; kein gutes Gewissen, das sich trotz überlassener Medikamente und Geldspende einstellen will.
„Sie sind hier, weil sie mit dem Wächter verwandt sind und es Wasser gibt“, erklärt Malik danach, „anderswo haben sie eine feste Unterkunft.“ Im Zuge staatlicher Maßnahmen zur Durchsetzung der Ansiedlung erhalten Tuareg-Nomaden ein Stück Land und kostenloses Baumaterial.
Später kommen wir zu einer Stelle, wo ein paar Familien von Wächtern im Nationalpark in halboffenen Rundbauten aus Stein und mit Schilfdach wohnen. Ein paar Ziegen laufen herum, es gibt eine Wasserstelle. Wieder wird nach Medikamenten gefragt. „Malik will sehen, wie es den Leuten geht, ob sie etwas dringend brauchen. Und wir sollen das vielleicht auch sehen“, sagt Johanne, die diese Tour nicht zum ersten Mal macht.
Nach der traditionellen Hierarchie zählt Malik zu den Edlen unter den Tuareg. Auch in der regionalen Verwaltung hatte er schon ein leitendes Amt inne und ist im Verein Les amis du Tassili aktiv.
Am nächsten Morgen wandern wir entlang den Felshängen eines Canyons bis zur kleinen Oase Iherir. Rundbauten bilden das Gros der Häuser im Dorf. Verwaltung, Grundschule und Krankenstation sind in einem ummauerten Gebäudekomplex am Ortsrand untergebracht. Im Café gegenüber sitzen ein paar Männer in weißen Kitteln. An diesem Vormittag können wir hier eine kleine Flasche Cola, zwei Joghurt und drei Gläser Tee bestellen. Mit Touristen rechnet offensichtlich kaum jemand.
Weiter in nördliche Richtung: Die neue geteerte Straße schimmert flaschengrün im Licht. Auf der Strecke nach Afra kommen wir zum ersten und letzten Mal an einem Militärkontrollpunkt vorbei, werden angehalten. Nach kurzem Palaver lässt man uns fahren.
Schroffe Felsformationen vulkanischen Ursprungs ragen jetzt aus der Flachwüste empor; um drei weit auseinanderliegende massive Brocken ranken sich Legenden vom Kampf zweier Männer (Hadresch und Mesrirène) um eine Frau (Tilout).
Unsere Begleiter sehen darin auch ein Sinnbild für regionale Konflikte zwischen dem Hoggar, wo man sich früh mit der Kolonialmacht Frankreich arrangiert habe, und dem Tassili, wo der Widerstand lang und verlustreich gewesen sei.
Und jetzt, in der Gegenwart: Was man vom Präsidenten Bouteflika halte, wollen wir wissen. „Er trägt die Nase hoch, und wir Tuareg tragen die Nase auch hoch“, lautet die Antwort, „und zwei, die die Nase hochhalten, das passt nicht gut zusammen.“