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Archiv-Artikel

DAILY DOPE (638)

Auf sich selbst konnte sich Lance Armstrong, der einstige Dominator des rollenden Radsport-Apotheken-Zirkus, ja schon immer verlassen. Er stellte sich nie in Frage, nicht seine Fähigkeiten und schon gar nicht seine Methoden. Erst die Ermittlungen der US-amerikanischen Anti-Doping-Agentur Usada trieben ihn zu einem lauwarmen Geständnis bei der richterlichen Höchstinstanz, der Talkerin Oprah Winfrey. Dass dieser eher peinliche Auftritt keine nachhaltigen Spuren des Selbstzweifels hinterlassen hat, zeigt Armstrongs neue Selbstbeschreibung auf seinem Twitter-Kanal: Survivor. Überlebender! So sieht sich einer, der sich zu Unrecht verfolgt fühlt.

Mit dieser Meinung steht Armstrong nicht allein. Den ehemaligen Dauer-Abonnenten auf den Tour-Titel erreicht Fanpost von ganz unterschiedlicher Seite. Unterstützer Nummer eins: Willie Nelson, 80-jähriger Countrysänger, der erst vor drei Jahren knapp einer Gefängnisstrafe wegen des Besitzes einer größeren Menge Marihuanas entgangen ist, fand seine ganz eigenen Worte der Anerkennung und des Mitgefühls: „Es ist schrecklich und ekelhaft, wie alle Lance Armstrong behandelt haben, besonders nach dem, was er erreicht hat – sieben Tour-de-France-Titel, während er auf Drogen war. Wenn ich auf Drogen war, konnte ich nicht einmal mein Fahrrad finden.“

Noch mehr geben dürfte Armstrong auf Unterstützer Nummer zwei, seinen einstigen Rivalen am Apothekerschränkchen, Jan Ullrich. In einem aktuellen Interview plädiert der Dauer-Unterlegene ganz selbstlos dafür, Armstrong die aberkannten Tour-Titel zurückzugeben. Die Begründung: „Die Zeit damals war eben so. Es ist niemandem geholfen, wenn in den Siegerlisten Striche stehen.“ Auf die Frage, warum er sich selbst so lange beharrlich der Wahrheit verweigerte, sagte Ullrich selbstkritisch wie immer: „Ich habe mich eben anders entschieden. Aber ich bin nun mal kein Gott, der alles sieht und richtig macht.“ Kein Gott? Aber ein Survivor bestimmt. ERIK PETER