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Archiv-Artikel

Gasnutzer bekommen recht

VERBRAUCHER Bundesgerichtshof erklärt alte Sonderverträge des Energiekonzerns RWE für rechtswidrig. Verbraucherschützer glauben, dass auch andere Kunden von dem Urteil profitieren können

DÜSSELDORF rtr | Viele Gaskunden in Deutschland können auf Rückzahlungen von über 100 Euro hoffen. Der Energiekonzern RWE verlor am Mittwoch einen Prozess vor dem Bundesgerichtshof (BGH), in dem Kunden Gaspreiserhöhungen angefochten hatten. Preisänderungsklauseln ohne nähere Begründung in Sonderverträgen seien nicht transparent genug und damit unwirksam, entschied der BGH und wies damit einen Widerspruch des Energieriesen zurück. Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen erklärte, das Urteil gelte nicht nur für den Essener Konzern. Insgesamt könnten Hunderttausende Gaskunden betroffen sein. Die Energieversorger wollten diese Zahl nicht bestätigen.

Der BGH setzte eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom März um. Dieser hatte erklärt, es reiche nicht aus, den Verbraucher mit angemessener Frist über Preiserhöhungen zu informieren und ihm ein Kündigungsrecht einzuräumen. Dem Kunden müsse bei Vertragsabschluss klar sein, nach welchen Kriterien sich die Preise ändern könnten.

Die Verbraucherzentrale NRW hatte im Namen von 25 RWE-Kunden gegen Preiserhöhungen zwischen 2003 und 2005 geklagt. Ihre Experten gehen davon aus, dass die Entscheidung weitreichende Folgen haben werde: „Wer Verträge mit gleich lautenden Klauseln abgeschlossen hat, kann nun ebenfalls Geld zurückverlangen.“ Dazu müsse man binnen drei Jahren Widerspruch gegen die Jahresabrechnungen einlegen und eine Erstattung verlangen. Das gehe auch rückwirkend für die vergangenen drei Jahre.

Mehr als 70 Prozent der fast 13,5 Millionen Gasnutzer in Deutschland haben Sonderverträge. Nach einer Berechnung des Verbraucherportals Verivox.de sind die Gaspreise für Sondervertragskunden mit einem jährlichen Durchschnittsverbrauch von 20.000 Kilowattstunden seit 2010 um insgesamt 11 Prozent gestiegen. Dies entspreche einer Summe von 138 Euro, sagte ein Verivox-Experte.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft erklärte, Gegenstand des Urteils sei ausschließlich eine Preisanpassungsklausel, die bis 2006 angewendet und inzwischen abgelöst worden sei. Nach Ansicht des Energierechtsexperten Hans-Christoph Thomale von der Kanzlei FPS in Frankfurt kommt aber auch die neue Klausel den Anforderungen des Gerichts nicht nach, weil sie ebenfalls keine Kriterien für Erhöhungen angibt.