DIE DREI FRAGEZEICHEN : „Es ist das Universum“
HÄ? Eine Frau behauptet, sie habe das Internet gegründet. War das nicht ein Brite? Und wie gründet man Technik?
taz: Frau Merz, auf einem Wahlplakat haben Sie sich als Mitgründerin des deutschen Internets betitelt. Das WWW hat doch aber ein Brite erfunden
Michaela Merz: Das WWW ist ja auch nicht das Internet. Ich behaupte nicht, das WWW erfunden zu haben. Das Internet gab es, bevor es WWW gab. Wir haben die Technologie für germany.net, einen Online-Dienst im World Wide Web, entwickelt. Wir wollten damals kein Portal machen, sondern einen echten Internet-Online-Dienst im WWW bauen.
Was? Noch mal bitte.
Das WWW ist nur ein ganz kleiner Teil des Internets. In der Öffentlichkeit wird WWW als das Internet wahrgenommen. Aber das Internet ist viel mehr als WWW. Wenn WWW unser Sonnensystem ist, dann ist das Internet das Universum.
Gut, sagen wir mal, ich hätte das verstanden. Was ist denn dann eigentlich das „deutsche Internet“? Und wie genau gründet man das?
Es gibt politisch und rechtlich durchaus einen deutschen Teil des Internets, in dem deutsche Gesetze gelten. Natürlich versuchen die Länder, ihre Gesetze auf den von ihnen beeinflussbaren Teil des Internets anzuwenden. Eisenbahnschienen verbinden ja auch weltweit, aber es gibt trotzdem einen deutschen Teil der Eisenbahn. Ich meine damit natürlich nicht das deutsche Internet, sondern den deutschen Teil, der in Deutschland gehostet wird, der von deutschen Gesetzen beeinflusst wird und den Deutsche mit aufgebaut haben. Wie soll man es nennen, wenn man etwas in Deutschland einführen will? Kann man Technologien überhaupt gründen? Ich habe nach einem Wort gesucht, aber mir fiel nichts Besseres ein. Internet-Aktivistinnen gibt es in Deutschland viele Selbsterklärte. Davon wollte ich mich abheben. Ich gehöre zur aussterbenden Rasse derer, die noch wissen, wie es ohne Internet war. Ich hab dabei geholfen, dass das Internet auch in Deutschland einen Stellenwert erhält. INTERVIEW: ANIKA MALDACKER
■ Michaela Merz ist 53 Jahre alt. Bei der Alternative für Deutschland ist sie als Mitglied im Bundesvorstand für die Netzpolitik zuständig. Sie versteht sich als Sozialliberale und nicht als Politikerin, sondern Aktivistin. Sie engagiert sich seit 20 Jahren für Bürgerrechte. Sie steht auf keiner Liste und will auch nicht gewählt werden.