Heute gibt’s wieder Kohl

DOKU Zum 80. Geburtstag des Exkanzlers: „Der Kämpfer“, 21 Uhr, ARD

„Was bleibt vom Kanzler Helmut Kohl?“ Diese Frage wird derzeit allenthalben gestellt – heute Abend auch von den Fernsehautoren Ina-Gabriele Barich und Klaus Weidmann. Die physiognomisch wie rhetorisch plumpe Witzfigur, die „Birne“, der „Tanker“, der Kanzler der Einheit, der große Europäer, der Mann aus der Pfalz, dessen Ehrenwort mehr gilt als das Gesetz, wird schließlich in wenigen Tagen 80.

Natürlich sind 45 Fernsehminuten sehr knapp bemessen für 16 reale und mindestens doppelt so viele gefühlte Jahre. Genau genommen sind es auch nur 26 Minuten, den Rest wenden die Autoren für die Vor- und Nachgeschichte auf. Zu wenig für eine differenzierte Analyse, gerade genug für ein paar Schlaglichter und die Rekapitulation von Schulwissen. Eine in ihrer Zahl wirklich beeindruckende Promi-Parade von Aust bis Weizsäcker sagt das Erwartbare. Die Autoren sind beim Kommentieren der O-Ton-Collage um einen ironisch-distanzierten Duktus bemüht, der allzu oft ins Selbstgefällige abgleitet. Etwa wenn Stefan Aust die Spiegel-Berichterstattung über Kohl durchaus kritisch kommentiert („Das ist manchmal ein bisschen aus dem Ruder gelaufen“) und die Filmemacher den Ball sogleich aufnehmen: „Und auch bei Kohl läuft mit den Jahren ein bisschen was aus dem Ruder.“ Die vielen Pöbeleien gegen Journalisten, die sie nun aneinander montieren – geschenkt.

Richtig interessant wird der Film leider erst ganz am Ende, wenn der Biograf Gerd Langguth darüber spekuliert, wodurch Kohl wohl mit seiner Partei wieder zu versöhnen wäre; Angela Merkel persönlich müsse ihm den durch die Spendenaffäre verlorenen Ehrenvorsitz erneut antragen. In der nächsten Einstellung wird Kohls einstiges „Mädchen“ darauf angesprochen. Merkel: „Diese Frage stellt sich nicht mehr.“ Sagt’s und hebt die Mundwinkel zu ihrem unverbindlichen Merkel-Lächeln.

Nicht nur Helmut Kohl kann sehr nachtragend sein.

JENS MÜLLER