: Die Strategie der späten Verstärkungen
Nach gutem Start und ordentlichem Durchhänger sind die Eisbären auf Meisterschaftskurs. Vor Beginn der Play-offs stehen sie an der Tabellenspitze. Grund dafür ist auch die geschickte Personalpolitik: Rechtzeitig wurde die Verteidigung verstärkt
von Johannes Kopp
Schluss mit lustig. Die Eishockeyspieler der Eisbären Berlin bilden in diesen Tagen keine Spaßgemeinschaft. Während der Spielrunde werde beim Training zuweilen geflachst, räumt Stefan Ustorf ein. Doch jetzt, da die Play-offs anstünden, habe das Team abrupt damit aufgehört. „Es ist nur noch Arbeit angesagt“, erklärt der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.
Dabei ließen die letzten Spiele der Eisbären wenig zu wünschen übrig. Das Team sei in vorzüglicher Form, konstatiert auch Ustorf. Mit vier Siegen in Folge erklomm man kurz vor Hauptrundenende die Tabellenspitze. Weil der direkte Konkurrent um den ersten Platz, der ERC Ingolstadt, gegen die Krefeld Pinguine patzte (2:4), kam den verbleibenden zwei Spielen der Berliner am Wochenende gegen die Hannover Scorpions und die Düsseldorfer Metro Stars keine Bedeutung mehr zu.
Der Weg nach ganz oben war allerdings beschwerlicher und interessanter, als es Statistiken zu offenbaren vermögen. Mit nur zehn Profis nämlich starteten die Eisbären in die Saison. Vergangenen Sommer hatten neun erfahrene Profis den Verein verlassen. Ersetzt wurden sie durch Förderlizenzspieler, also Nachwuchstalente, die maximal 22 Jahre alt sein dürfen und sowohl für die Oberliga als auch für die Deutsche Eishockey-Liga (DEL) spielberechtigt sind. Fünf der zwölf Ausländerplätze blieben unbesetzt.
Dessen ungeachtet formulierte der Trainer der Eisbären, Pierre Pagé, vor der Saison ein ehrgeiziges Ziel: Man wolle den erstmals errungenen Meistertitel verteidigen. Er wusste jedoch genau, dass sein Team noch nicht konkurrenzfähig war. Pagé und Manager Peter John Lee verfolgten wie schon im Vorjahr mit ihrer Teampolitik eine Strategie. Im ersten Saisondrittel wurde der Nachwuchs an das Niveau der DEL herangeführt, danach verstärkte man das junge Team meisterlich.
Doch auch die junge Mannschaft begann schon meisterlich. Von den ersten sechs Spielen gewann sie vier. Der damalige deutsche Nationaltrainer Greg Poss war hell entzückt vom Jugendkonzept. „In Berlin wird Eishockeygeschichte geschrieben“, schwärmte er. Junge Spieler, wie der 18-jährige Christoph Gawlik und die beiden 21-jährigen, Frank Hördler und Florian Busch, hätten diese Saison noch einmal einen Riesenschritt nach vorn gemacht, lobt auch der 32-jährige Ustorf. Busch wurde gar in den deutschen Olympiakader für Turin berufen.
Hinten höllisch schlecht
Nach dem guten Start gelang den Eisbären jedoch nur noch wenig. Im Oktober, nach einem Viertel der Spiele, fand man sich mit der schlechtesten Defensive aller DEL-Teams im Niemandsland der Tabelle wieder. Für Ustorf gehört das zum normalen Lernprozess einer jungen Mannschaft. Zu jener Zeit begann die Klubführung damit, den Kader zu verstärken. Bis Ende Februar vergab man die noch freien Ausländerlizenzen. Vor allem die Defensive wurde stabilisiert – mit Deron Quint und Drake Berehowsky, die schon viele Spiele in der amerikanischen National Hockey League (NHL) bestritten, und dem tschechischen Torhüter Tomas Pöpperle.
Ustorf bezeichnet Pöpperle als eine der entscheidenden Figuren des aktuellen Erfolgs. Mit einer Fangquote von 92,94 Prozent führt der erst 21-Jährige die Rangliste der DEL-Torhüter an. Ansonsten, glaubt Ustorf, werde die Jugendlichkeit des Teams etwas überbewertet. Damit hat er nicht Unrecht. Denn die fünf Topscorer, zu denen auch Ustorf zählt, sind alle über 30 Jahre alt und gehörten schon in der vergangenen Saison zu den Besten. Im Unterschied zu damals gehen die Berliner Eisbären jedoch zugunsten der Junioren mit vier Profis weniger in die Play-offs. Insofern wäre die Titelverteidigung noch deutlich höher einzuschätzen als das letztjährige Meisterstück.
Soweit will Stefan Ustorf gar nicht denken: Er sagt, vor den Play-offs könne man reden und reden. Es käme doch anders. Für Prognosen sei die Liga viel zu ausgeglichen.