Refugium und Introvertiertes : Zugewucherter Neokraut
Nils Schuhmacher
„Auf“ der Schanze erobern die Leute die Straße derzeit bekanntlich auf eine Weise, die man eher nicht meint, wenn voller Emphase von der Wiederaneignung des öffentlichen Raumes die Rede ist. Gerahmt wird diese Entwicklung zur Partymeile (also zum „attraktiven urbanen Gebiet“) von den üblichen Nebeneffekten: steigende Mieten, nachhaltige Veränderung der örtlichen kleinökonomischen Struktur, nicht zuletzt: Vernutzung jedes Fleckens, der gestern noch öde und vergessen im Winkel lag. Nicht ganz so ergeht es der vom „GartenKunstNetz“ bewirtschafteten Fläche in der Eifflerstraße. Sie wurde zwar um einige Meter versetzt, in ihrer Größe beschnitten und steht jetzt etwas eingezwängt zwischen Neubau und Feuerwehrgebäude, aber: Sie ist zweifellos noch da und besitzt nun endgültig den Charakter eines kleinen geheimnisvollen Refugiums. Man muss sich hier gar nicht den kunsttheoretischen Ausschweifungen anschließen, mit denen die Betreiber ihre Idee belegen. Es lässt sich auch ganz bodenständig feststellen: Hier existiert ein leicht zugewucherter Raum, in dem sich zum Beispiel jene verschanzen können, die es 50 Meter weiter auf dem Schulterblatt nicht aushalten und für die innerstädtische Beachclubs auch nicht unbedingt die Alternative darstellen. Seit 2005 wird an diesem Ort – in diesem Jahr zum siebten Mal – das sogenannte Platzfestival durchgeführt. Eine Holztribüne quietscht, ein Baum rauscht, eine Phalanx an „kleinen“ Bands von Postrock (Katzenkönig), Jazz (Piho Hupo), Elektronischem (Corwood Manual, Nika Son) und Neokraut (Love-Songs) zieht – sehr nah – an einem vorbei. Schön und vor allem: schön entspannt. Sa, 10. 8., ab 16 Uhr, Eifflerstraße 35
Das musikalische Aushängeschild eines Landes zu sein, wird auch dadurch nicht leichter, dass das Land eher klein ist – und das Feld der Mitbewerber ebenfalls. Die Schweizerin Sophie Hunger wurde mit ihrer ersten LP „Monday’s Ghost“ 2008 in kürzester Zeit zum Referenzspunkt für eine tiefgründig-melancholische – aus Indie, Singer/Songwriting und Jazz zusammenkomponierte – U-Musik mit Anspruch, deren Spannbreite von Kammerpop bis zu beschwingter Latinorhytmik und französischem Chanson reicht. Und wenn Hunger darauf hinweist, dass ihre musikalische Sozialisation neben Punk (hört man jetzt nicht unbedingt raus) vor allem auf Altem und Introvertiertem gründet – also etwa Bob Dylan, Tom Waits, Nina Simone und Billie Holiday umfasst –, dann gibt dies einen guten Hinweis darauf, dass sich hier jemand sehr bewusst und mit gewissem Erfolg abseits der seichten Fusion-Soße positioniert hat. Und dann wirft sie mit „The danger of light“ 2012 ein weiteres genremäßig wenig greifbares atmosphärisch dichtes Album auf den Markt. Und dann ist sie auch schon wieder im Dunst verschwunden. Mo, 12. 8., 20 Uhr, Kampnagel
Massenger always bring’s good news. Und wenn nicht das, so klingt es doch mindestens außerordentlich lebendig, luftig und ist voll mit schepperndem Groove, wenn die aus dem kalifornischen Ventura stammende Band hier wunderbaren Garage-Sound auf die für diese Breitengrade wohl obligatorische Surf-Stimmung prallen lässt. Mit anderen Worten: Ordentlich Beat-geschwängert treibt das Schlagzeug zuerst nur leicht, dann stark lächelnde Zuhörer durch poppige Songs. Sängerin Sasha Green singt abwechselnd auf Englisch und Spanisch und man fragt sich zuletzt noch: Hat die Band nicht auch die eine oder andere Soul-Lektion gelernt, die sie einem jetzt hier lässig um die Ohren haut? Ja, hat sie. Fr, 23. 8., 21 Uhr, Störtebeker