Kein Preis für Superlative im Fernsehen

GRIMME-PREIS Die Doku „24h Berlin“ wird nicht ausgezeichnet. Sie ist zu außergewöhnlich

Wenn heute Abend im Marler Stadttheater zum 46. Mal die Adolf-Grimme-Preise verliehen werden, sind Volker Heise und Thomas Kufus höchstens am Fernseher dabei (19 Uhr, ZDF Theaterkanal, 22.35 Uhr, 3sat). Für ihr TV-Mammutprojekt „24h Berlin – Ein Tag im Leben“ waren sie zwar für die wichtige, vom Deutschen Volkshochschulverband gestiftete Auszeichnung nominiert, sind aber letzten Endes bei der Jury durchgefallen.

Das wäre ein ganz normaler Vorgang – wenn „24h Berlin“ ganz normales Fernsehen wäre.

Doch – dieser Superlativ muss sein – so etwas wie „24h Berlin“ hatte die Welt noch nie gesehen: Aus über 500 Stunden Filmmaterial, das 80 Kamerateams am 5. September 2008 von 6 Uhr bis zum nächsten Morgen drehten, wurde nach monatelanger Postproduktion (im Schichtdienst!) ein 24-stündiges TV-Programm, das ein so vielschichtiges, widersprüchliches, berührendes Panorama vom Berliner Alltag zeichnet, dass man Stunde um Stunde vorm Fernseher klebte und einfach nicht davon loskam, Menschen beim Leben zuzugucken.

Heise und Kufus haben mit „24h Berlin“ Fernsehgeschichte geschrieben – und man wird den Eindruck nicht los, dass ihnen bei der Preisentscheidung gerade das zum Verhängnis geworden ist: Wie behandelt man das Herausragende gegenüber dem Überdurchschnittlichen? Im Zweifel schlechter, weil man sich durch ein Votum für das Herausragende ja immer angreifbar macht – Stichwort: Chancengleicheit. Und um die eine Ungerechtigkeit zu vermeiden, begeht man dann eine andere. Mit einem Sonderpreis hätte man der Sonderstellung von „24h Berlin“ gerecht werden können. Chance vertan. Schade drum. DENK