COUCHSURFER VORM PEPPI GUGGENHEIM, LABRASSBANDA IM VALENTIN STÜBERL UND EINE PUDEL-CLUBNIGHT MIT MATTER MUSIK UND MÜDEN SOUNDTEPPICHEN : Mannshohe Stilettos sind auch nur Altherrenfantasien
VON SONJA VOGEL
Seid ihr die Couchsurfer?“, fragt eine junge Frau. Es ist Freitagabend, wir sitzen vor dem Peppi Guggenheim in Neukölln und fühlen uns geschmeichelt. „Jaa!“, lügt mein Freund B. begeistert. „Das sind wir!“ Kurz darauf sitzt ein Dutzend Couchsurfer um uns herum und B. geht in seiner Rolle als großer Vorsitzender einer kleinen Community auf. Mein liebster Couchsurfer ist ein kleiner Boy mit Skateboard, neckischem Afro und buntem Longsleeve. Er: „Ich möchte in die Forschung gehen.“ Wir: „Was ist dein Gebiet?“ Er: „Zurzeit mache ich Marktforschung.“ Stille.
Dann fährt der Wind so durch die Straße, dass sich ein Fahrrad polternd aufs Pflaster hinstreckt. Ein Zeichen! Schnell verschwinde ich in die Nebenstraße, wo ich zu einer Kneipentalkshow verabredet bin. Im Valentin Stüberl läuft „Simi will Format“, zu Gast ist die Blaskapelle LaBrassBanda. In mannshohen Stilettos klackert die Moderatorin durch das Spalier der Biertrinkenden, während Harald Juhnke via Leinwand Berliner-Schnauze-Glamour rüberbringt. Es gibt einen lustigen Einspieler vom Greenville-Festival. Simi allein unter Männern. Im Tourbus lässt sie den Blick schweifen, sagt tonlos „Soll ich mal für euch kochen? Ich sehe, ihr habt einen Herd“, während die Kamera auf eine heruntergerockte Mikrowelle schwenkt.
Nach der Show kommt Blasmuzak aus der Büchse. Die Bierbänke biegen sich unter dem rotgesichtigen Partyvolk. Wir hängen auf Barhockern. Die Freundin hat eine Feder auf ihren Arm tätowiert. So wunderschön, dass an manchen Tagen ganze Männerhorden das Tattoo umschwärmen. Auch an diesem. Ein Bandmitglied vermutet mich als Tätowiererin, was ich sogleich bestätige. Seid ihr ein Paar? Ein Feuerwerk der Altherrenfantasien entzündet sich: zisch, bumm, KRAWUMM! Wir bejahen alles. Und spinnen weiter: das Tattoo als Liebesbeweis, die geplatzte Verlobung, der eine Mann, den ich ihr nicht verzeihen kann. Bald ist uns ganz übel, so wild dreht sich das Klischeekarussell. Die Freundin macht mir eine schmutzige Szene, dann ab in die milde Nacht.
Am Samstag erzähle ich die Geschichte einer bayrischen Freundin. Die schüttelt den Kopf: Ach, die Bayern! Wir sitzen im Garten des ://about blank und wühlen mit den Schuhen im Sand. Auf dem Pogramm: ein Konzert der Goldenen Zitronen für „Fight racism now!“. Danach Pudel-Clubnacht. Der Sound rumpelt etwas matt aus den Boxen. Von Schorsch Kameruns Begrüßung verstehe ich nur „Toilettenfaschist“. Ein schönes Wort. Das Konzert ist unambitioniert. Zum Beispiel rezitiert Mense Reents getragen „ICE Berthold Brecht“, während ihm der Bass über den Mund fährt. Gegen Ende zappeln dann doch einige. Ein Zustand, der bei den folgenden DJs kaum mehr erreicht wird.
Drinnen drehen die Umherschweifenden Produzenten im Disconebel an Knöpfchen. Ab und zu haut Knarf Rellöm auf ein Becken. Dazu sprechen zwei Jungs Marke Jeans Team versunken „Telefon, Telefon“ ins Mikro. War Rellöm immer schon so belanglos? Obwohl danach Viktor Marek mit seinem nerdigen Synthie-Kästchen zauberhaft heftig gegen Ashraf Khans E-Sitar arbeitet, denke ich wehmütig an Huah! und die Helden meiner Jugend. Auch School of Zuversicht sind zum Gähnen. Unglücklich tigere ich zwischen stolperndem Drum ’n’ Bass, quietschigem Elektro und müdem Soundteppich hin und her. Gegen 3 Uhr gebe ich trotz ehrlicher Tanzwut auf. Die Musik ist zu schlecht. Erst zweimal durchgeschwitzt und schon auf dem Weg nach Hause: enttäuschend. Als ich auf den Betonhof hopse, durchnässt mich ein Regenschauer.