: Das Haus der merkwürdigen Zufälle
In Ottensen versucht ein Eigentümer, die Mieter aus ihren Wohnungen zu drängen – auf so seltsame Weise, dass selbst eine erfahrene Mieterschützerin staunt. Sogar die Polizei ist eingeschaltet. Der Vermieter sieht sich als Opfer eines Klassenkampfs
von GERNOT KNÖDLER
Es gibt Mieter, die haben Verträge zum Träumen. Der Familie Soltau aus Ottensen gegenüber hatte ein früherer Vermieter auf das Recht einer Eigenbedarfskündigung verzichtet und auf das Recht zur Umwandlung ihrer Wohnung in eine Eigentumswohnung. Doch der schöne Vertrag nützt ihnen wenig, denn ein neuer Eigentümer versucht, sie trotzdem aus ihrer Wohnung zu drängen. Eine Reihe von Merkwürdigkeiten und „Unglücksfällen“ im Haus Am Born 10, die auch zwei weitere Mietparteien trafen, ließen den Verdacht aufkommen, hier könnte es sich um einen Fall robust betriebener Entmietung handeln. „So, in diesem Ausmaß, habe ich das noch nie erlebt“, sagt Sylvia Sonnemann, die seit 14 Jahren für den Verein Mieter helfen Mietern (MHM) arbeitet.
Die Soltaus – Vater, Mutter, Tochter – hatten sich ihre Wohnung im zweiten Stock 1994 mit viel Eigenleistung schön gemacht und waren eigentlich ganz zufrieden, zumal sie nur fünf Euro netto kalt pro qm an Miete zu zahlen hatten. Sie fielen aus allen Wolken, als ihnen die Anwälte der Vermieterin Uta Köhler im vergangenen Sommer einen Brief schrieben. Tenor: Das Haus sei so marode, dass es nicht weiter vermietet werden könne. „Das Mietverhältnis erlischt, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“
Die Anwälte rechneten vor, dass sich die Miete durch die Sanierung verfielfachen würde. Den Brief erhielten auch die übrigen drei Parteien im Haus. Die Soltaus und eine Mieterin im Erdgeschoss, Mona Saarkodie, wandten sich an MHM.
Während die Soltaus eine Umsetzwohnung bezogen, blieb Saarkodie im Erdgeschoss wohnen. Die Verhandlungen über eine Umsetzwohnung für sie standen im vergangenen Monat kurz vor dem Abschluss, da fiel Marc Meyer von MHM auf, dass die Wohnungen zum Kauf angeboten wurden. Meyer ließ sich ein Exposé schicken. Die Wohnung Saarkodies sollte 180.000 Euro kosten, die der Soltaus 195.000 Euro. Beide sind etwa 60 Quadratmeter groß.
„Das war ein Kommunikationsfehler von mir an den Makler“, sagt Uwe Köhler, Geschäftsführer der Elsterpark Projekt GmbH, die das Haus im Herbst 2005 Köhlers Frau Uta abkaufte. Er habe sofort angerufen und angeordnet, dass die Wohnungen der Soltaus und Saarkodies nicht verkauft werden sollen.
Dieser Lapsus verstärkte die Angst der Mieter, sie würden ihre alte Wohnung letztlich verlieren, zumal andere Merkwürdigkeiten dazu kamen: Köhler habe Wände aus den Wohnungen gerissen, obwohl die Mieter einer Veränderung der Wohnungsgrundrisse nicht zugestimmt hätten. Man streitet sich über Nebenkosten, die jahrelang niemand beglichen haben wollte und die Mehrkosten für die Umsetzwohnung der Soltaus. Es gab einen Wasserschaden im Keller, wo die Familie einen Teil ihrer Sachen lagerte. Bei einer Familie im 1. Stock kam ein Teil der Küchendecke herunter. Saarkodies Schornstein stürzte ein, der Strom fiel komplett aus und dann wurde ihr das Küchenfenster eingeschlagen. Am 28. Februar zeigt sie Köhler an.
Dieser sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Für diese Dinge gibt es immer eine normale Erklärung“, sagt er. Das Haus sei vom Schwamm befallen, 60 Jahre lang sei daran „nichts gemacht worden“. Die Mieter behinderten alles, was eine Sanierung möglich mache. Köhler: „Hier wird der Klassenkampf vor sich her getragen.“