: Schönefeld kriegt die volle Dröhnung
Politiker aller Parteien bejubeln das Gerichtsurteil, das den Bau des Großflughafens erlaubt. Ein Glückstag für die Region! Ein Meilenstein! 40.000 Jobs! Die taz bewahrt einen kühlen Kopf. Und erklärt, was die Entscheidung für die Region bedeutet
von ULRICH SCHULTE
Was bedeutet das Urteil? Kommt ganz drauf an, wen man fragt (siehe Kasten). Höchstes Glück („Die wichtigste Entscheidung in meiner Tätigkeit als Regierender Bürgermeister“, Klaus Wowereit, SPD) und tiefstes Leid („Der Flughafen wird eine Steuer-, Kapital- und Arbeitsplatzvernichtungsmaschine“, Bürgerverein Brandenburg-Berlin)
Ist der Richterspruch endgültig? Ja. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in letzter Instanz über die Klagen von rund 4.000 Anwohnern entschieden. Eine Revision ist nicht möglich.
Wie genau wird Schönefeld zum Airport Berlin Brandenburg International (BBI) ausgebaut? Bis zum angepeilten Eröffnungstermin Oktober 2011 wird südöstlich von Berlin kräftig gebuddelt (siehe Grafik). Eine der beiden alten Startbahnen wird abgerissen, die andere auf 3.600 Meter verlängert. Ganz neu entsteht eine 4.000-Meter-Bahn. Dazwischen werden Terminal und Flugzeugparkplätze gebaut. Ein unterirdischer Bahnhof mit sechs Gleisen ergänzt das Ganze.
Was kostet der Spaß? Die Summe lässt den Normalbürger schwindeln: Der Betonkoloss soll knapp 2 Milliarden Euro kosten. Die drei Gesellschafter – die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund – machen 430 Millionen Euro locker. Auf Berlin entfallen 159 Millionen. Der Rest des Geldes soll durch Mittel der Flughafengesellschaft und Bankkredite finanziert werden. Die Schienenanbindung kostet noch mal 500 Millionen Euro. Fazit: Billig geht anders.
Ist das alles? Nein. Hinzu kommen Zinsen, über deren Höhe sich die Behörden ausschweigen. Die Gegner des Ausbaus halten das Finanzkonzept sowieso für eine glatte Lüge. Sie sagen, dass der Bau bereits 3 Milliarden Euro verschlungen habe.
Wann rücken die Bagger an? Bald. Der Geschäftsführer Technik der Flughäfen, Thomas Weyer, kündigt einen zügigen Baubeginn an. „Wir haben die zurückliegenden Monate für Bauvorbereitungen und Detailplanungen genutzt.“ Als Erstes wird die Baustelle hergerichtet. Dazu gehört das Planieren von Baustraßen, das Legen von Leitungen und der Bau eines Betonmischwerks.
Was passiert in den kommenden Jahren? Richtig los geht’s im nächsten Jahr. Dann beginnt der Bau des unterirdischen Bahnhofs samt Tunnel, der Versorgungsanlagen, der Rollbahnen und der neuen Südstartbahn. Die Errichtung des Terminals beginnt 2008. Wenn alles glatt läuft, wird es im Mai 2011 probeweise in Betrieb genommen.
Was bedeutet der Ausbau für die Anwohner? Einen noch dickeren Ölfilm im Vorgarten und Fluglärm im Minutentakt. Auf dem BBI sollen im Jahr 360.000 Jets starten und landen. Dabei donnern sie über die Dächer von Nachbargemeinden wie Schulzendorf, Mahlow oder Eichwalde.
Aber das Gericht hat doch mehr Lärmschutz gefordert? Stimmt, aber ein Nachflugverbot zwischen 0 und 5 Uhr und etwas großzügigere Entschädigungen trösten die Ausbaugegner nicht. Der Lärm des BBI treffe 70.000 Anwohner, hinzu kämen 100.000 Erholungssuchende, argumentieren die Ausbaugegner.
Wie viele Menschen werden den neuen Flughafen nutzen? Die Kapazität der ersten Ausbaustufe liegt bei 22 Millionen Fluggästen im Jahr. Die Zahl ist nicht unrealistisch: Im Moment starten und landen bereits 17 Millionen Passagiere auf Berliner Flughäfen. Der BBI kann durch Anbauten auf eine Kapazität von 40 Millionen erweitert werden.
Ist der Airport tatsächlich eine Jobmaschine? Das ist umstritten. Derzeit hängen laut einer Studie der Flughafengesellschaft 33.000 Jobs direkt und indirekt an den drei Flughäfen. Die Studie sagt voraus, dass durch den BBI weitere 40.000 hinzukommen. Kritiker halten das für maßlos übertrieben. „Berlin wird nie eine Drehscheibe in der ersten Liga werden“, lästert der Verband Barig, eine Vereinigung von Fluggesellschaften, schon heute.
Wann wird der Flughafen Tempelhof geschlossen? Der Senat will ihn im Sommer 2007 zum Flugplanwechsel dichtmachen. Zwar klagen drei Airlines gegen die Schließung, doch gibt sich die Verkehrsverwaltung nach dem Leipziger Urteil siegessicher: „Jetzt steht die Schließung auf sicheren Füßen“, so eine Sprecherin. Was mit dem Gelände passiert, ist noch unklar – die Behörde arbeitet daran. Die taz fordert: Neukölln und Tempelhof brauchen ein Wiesenmeer!
Und was ist mit Tegel? Den Flughafen im Nordwesten der Stadt will der Senat sechs Monate nach Inbetriebnahme des BBI schließen – also im Sommer 2012.