IRAK: MIT AUTOBOMBEN UND KLEINBUS-MORDEN IN DEN BÜRGERKRIEG
: Wettlauf mit den Mördern

Das Einzige, was den Irak jetzt noch zusammenhalten kann, ist die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Zumindest darüber herrscht weitgehend irakische und internationale Einigkeit. Doch der politische Prozess, der den Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten verhindern kann, ist festgefahren. Zwar ist drei Monate nach den Wahlen endlich das Parlament eingeschworen, aber das war’s dann auch schon mit den politischen Fortschritten. Die Abgeordneten konnten sich in der ersten Sitzung noch nicht einmal auf einen Parlamentssprecher einigen, geschweige denn auf einen Ministerpräsidenten, der die Regierung bilden soll.

Dabei gilt es keine Zeit zu verlieren. Der politische Prozess, der die Einheit des Landes garantieren soll, steht unter starker Konkurrenz. Seit kurzem gehört es zum furchtbaren Alltag, dass morgens rund um Bagdad abgestellte Autobusse voll mit gefesselten und geknebelten Leichen gefunden werden. Und jeden Tag berichten Augenzeugen von den Todesschwadronen des Innenministeriums, aus schiitischen Milizen gebildet, die nachts sunnitische Männer „abgeholt“ haben, um sie zu exekutieren – meist als Antwort auf brutale Autobomben, die ein paar Tage zuvor auf belebten schiitischen Plätzen gezündet wurden. Der Wettlauf zwischen den Provokateuren und jenen, die den Bürgerkrieg noch verhindern wollen, ist in vollem Gange. Doch während die einen in Kleinlastwagen durchs nächtliche Bagdad rasen, um neue Opfer aus den Häusern zu holen, bewegen sich die anderen im Schneckentempo. Mit jedem Tag, der an der politischen Front verloren wird, gewinnt der Bürgerkrieg auf der Straße mehr an Tempo.

Und die US-Truppen, einst angeblich ausgezogen, um einen friedlichen und demokratischen Irak zu schaffen? Sie haben weder Massenvernichtungswaffen gefunden noch al-Qaida ausgerottet. Einziges Argument für ihre Präsenz ist nur noch die Rechtfertigung, dass der Irak ohne sie im Chaos versinke. Doch den mit Autobomben und Kleinbus-Morden bereits begonnenen Bürgerkrieg hält US-Verteidigungsminister Rumsfeld für eine innerirakische Angelegenheit. Ignoranter kann Politik nicht sein. KARIM EL-GAWHARY