: Ein Hauch von Weltkriegsachse
AUSSTELLUNG Man lasse sich nicht täuschen von der Niedlichkeit der verwendeten Alltagsmaterialien: Frederik Foerts bewegte Skulpturen, zu sehen derzeit in Delmenhorst, sind auf Krieg eingestellt
Man bekommt fast ein wenig Angst: Gleich beim Betreten stößt man auf ein seltsam zappelndes Wesen, eine hektische und unberechenbare Apparatur. Sie lärmt und schlägt wild um sich. Man weiß zunächst nicht: Lebt es? Ist es mechanisch? Es erinnert an Löwen, die mit ihren Schwänzen um sich schlagen, oder an den Angriff eines umherpeitschenden Wasserschlauchs auf einem Rasen. Betrachtet man das Ding etwas näher, erschließt sich: Es ist eine Getränkekiste mit einem montierten Scheibenwischermotor, der einen ausgeklappten Zollstock hin und her bewegt, an seinem Ende hängt eine Plastiktüte.
„Shopping in the Sky“, so heißt die mechanische Skulptur, ist eine Arbeit des 1971 in München geborenen Frederik Foert. „On a Clear Day You Can See Forever“ ist dessen Ausstellung in Delmenhorst betitelt. Obwohl Foert seit mehr als 15 Jahren an seinen Apparaten bastelt, ist dies seine erste institutionelle Einzelausstellung. Gezeigt werden neben montierten Objekten auch Collagen und Videoarbeiten.
Die Idee der dynamischen Skulptur ist dabei gar nicht neu: In den 1950er-Jahren bauten Mitglieder der deutschen Künstler-Gruppe ZERO stählerne Rotoren, Jean Tinguely ließ schrottreife Räder zu nutzlosen Apparaten werden, und auf der letzten Documenta zeigte Thomas Beyerle eine Reihe schwerer, rotierender Maschinen, die aussahen, als hätten sie sich zum massenhaften Gebet verabredet.
Verrückte Gemeinschaft
Die mechanischen Skulpturen von Foert wirken erst einmal sehr viel leichter in ihrer ganzen Erscheinung. Und witziger. Für „Parasols“ aus dem Jahr 2011 zum Beispiel hat der Künstler japanische Sonnenschirme auf nachkriegsdeutsche Nierentische gestellt. Wiederum sind es Scheibenwischer, von denen die fragilen Papierschirme geöffnet und geschlossen werden.
Diese bilden eine verrückte Gemeinschaft durcheinander lärmender Individuen. Wie eine Horde bunter Vögel klappen sie ihre Flügel auf und zu. Manche der Gestalten haben einen schwachen Motor: Ihre Bewegungen sind kurz, ihre Schreie nur noch schwach zu vernehmen. Es ist wie bei wirklichen Lebewesen – der Antrieb bekommt Macken und hört irgendwann ganz auf zu arbeiten. Ist das noch lustig? Gab es einen Kampf und das sind die Verlierer?
Dies bringt Foert in die Nähe von Rebecca Horn. Auch bei ihr sind Motoren kleine Individuen. Ihre „Polnischen Trommler“ in der Bremer Weserburg werden nicht repariert, trommeln eine Weile mit Störungen weiter und stoppen irgendwann ganz. Anders als bei Horn, die Edles verwendet – neben Trommeln auch Adlerflügel, Gold und Silber –, bedient sich Foert sogenannter armer Materialien: Scheibenwischer, Schirme, Tüten, Tischchen. Auffallend ist die Verbindung nachkriegsdeutscher Kulturgüter mit einst traditionellen, inzwischen trivialisierten japanischen Gegenständen. Ein Hauch von Weltkriegsachse weht durch die Ausstellung.
Bedrohliche Momente
Vielleicht ist das alles gar nicht lustig und die anfängliche Angst hat ihren Grund. Bedrohlich wird’s auch in der Rauminstallation „Captains Dinner 2“. Man zieht an einer Kordel – und über einem bricht die Decke herab. Auf Holzlatten stehen Vasen mit Lilien. Das Wasser schwappt, die Blumen stinken. Immer wieder: bedrohliche Momente.
Im oberen Geschoss der Galerie stehen sich Spazierstöcke gegenüber, auf Stative montiert. Die in Messing gegossenen Griffe stellen Tierköpfe dar: Hunde, Pferde und Raubvögel. Nein, es ist nicht witzig. Hier herrscht Krieg. RADEK KROLCZYK
bis 25. August, Städtische Galerie Delmenhorst