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betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Oper als politisches Theater? Lang ist es her, als die Leute sich in der Oper zur Revolution anstacheln ließen. Von Guiseppe Verdi zum Beispiel, dessen kraftvolle Chöre in „Nabucco“ das Opernpublikum vor hundertfünfzig Jahren derart anstachelten, dass sie nach der Vorstellung sich skandierend und singend in die Straßenschlachten um ein geeintes und freies Italien warfen (das zu Verdis Zeiten zum Teil unter österreichischer Herrschaft stand). Inzwischen räkelt sich das Publikum eher passiv in den Plüschsesseln, und Politik und Oper ist etwas, das man nur noch schwerlich zusammendenken kann. „Move Op“, „Beweg Dich, Oper!“ ruft also ab Freitag die Neuköllner Oper und startet unter dieser Überschrift ein Musiktheaterfestival, das alternative Musik-Theaterproduktionen aus europäischen Ländern eingeladen hat, in denen Freiheit und Demokratie akut unter Druck geraten sind: aus Ungarn, der Türkei, Rumänien oder Mazedonien zum Beispiel. Uraufgeführt wird im Rahmen des Festivals am Samstag unter anderem das Singspiel „Taksim Square“. Autor und Regisseur Mehmet Ergen ließ sich bei diesem ersten Stück über die jüngste Demokratiebewegung in der Türkei durch Graffitis, Street Art, Facebook-Bilder und Texte aus der aktuellen Auseinandersetzung inspirieren und verband es mit Liedern aus der Protestszene sowie Neukompositionen von bekannten türkischen Komponisten wie Çidem Erken, Can Erdoan Sus und Yiit Özatalay. Der 1982 geborene ungarische Regisseur Csaba Polgár hat Ödön von Horváths 1931 uraufgeführtes Volksstück aus dem Kleinstadtmilieu des präfaschistischen Deutschland „Italienische Nacht“ auf gegenwärtige ungarische Verhältnisse übertragen: Dort formiert sich gegenwärtig eine aggressive neue Rechte und höhlt die demokratischen Instanzen aus, während die breite Öffentlichkeit sich dem gegenüber als ohnmächtig erweist. (Neuköllner Oper: „Move Op!“, 16.–25. August. Alle Infos: www.neukoellneroper.de).

Die zunehmende Internationalisierung der darstellenden Künste begünstigt nicht nur das Musiktheater (weil es leichter als Sprechtheater Sprachbarrieren überwinden kann), sondern auch den Tanz. Bei der 25. Ausgabe des Festivals „Tanz im August“, das am Wochenende startet, werden unter anderem Künstler aus dem Kongo, den USA, Slowenien, Deutschland, Italien, Chile, Basilien oder Frankreich ihre neuesten Arbeiten zeigen und damit gleichzeitig eine ziemlich pralle Momentaufnahme des zeitgenössischen Tanzes auf der Welt liefern. (HAU und andere Spielorte: „Tanz im August“, 16.–31. August, Infos: www.tanzimaugust.de).

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