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„China ist kein Sparmodell“

SCHLUSS MIT LUSTIG Corny Blage verrät Geheimnisse seiner Hemelinger Scherz- und Witzwerke

Corny Blage, 63

■ Präsident des Verbandes scherz- und witzanfertigender Unternehmen, leitet die Hemelinger Scherz- und Witzwerke.

taz: Herr Blage, herrscht bei Ihnen heute Hochbetrieb?

Corny Blage: Im Gegenteil, Ende März machen wir stets Inventur. Nur das Factory-Outlet Center in der Vahr hat geöffnet.

Aber Sie machen doch mit Aprilscherzen viel Umsatz… ?

Eben: Generell tendiert der Witzgeschmack zu gut abgehangen, verstärkt durch den Comedy-Boom. Zumal den Aprilscherz genießt der Kunde gerne mit Hautgout: Kein Aprilscherz ist jünger als acht Monate. Das französische Wort „poisson d’avril“, Aprilfisch, transportiert das gut…

Sie exportieren auch?

Gerade Frankreich ist ein wichtiger Markt, da war Albert Uderzo unser Türöffner: Seit 33 Jahren entstehen die Texte der Asterix-Alben hier in Hemelingen am Fließband.

Und wer kauft Ihre deutschen Aprilscherze?

Aus unserer Fertigung stammen mehr als 95 Prozent der in deutschsprachigen Medien publizierten Aprilscherze. Leider gibt’s ein paar schwarze Schafe…

Inwiefern?

Manche greifen auf Imitate aus Ostasien zurück.

Auch Sie wollten doch die Produktion nach Zhongguancun auslagern.

Erwischt. Sie haben Recht. Im Jahr 1993 / 94 hatten wir dort eine Werkstraße. Ein Desaster. China ist kein Sparmodell.

Wieso?

Unser Personal dort hatte zwei Lieblings-Gags. Nummer eins: Helmut Kohl hätte die SPD verboten und ließe deren Anhänger einsperren – das hat uns keiner abgekauft. Schlimmer war aber der andere, nämlich, dass Ungarn den Beitritt zur EU beantragen würde. Das hielten die für völlig ausgeschlossen – und genau das ist passiert. Scherztechnisch ein Super-GAU. Folge: Einnahmeverluste in zweistelliger Millionenhöhe. Ein teurer Spaß für uns – zumal unser Know-how-Export den Imitate-Markt wohl erst angeleiert hat.

Damit müssen Sie jetzt leben?

Als Verband der scherz- und witzanfertigenden Unternehmen sehen wir das Deutsche Institut für Normung in der Pflicht. Wir brauchen endlich verbindliche Standards. Sonst sinkt der Rest-Schärfe-Anteil noch auf unter Null. BES

FOC, Witzlebenstr. 401, ab 11.11 Uhr

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