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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: FÜNFEINHALB TONNEN MARIHUANA IN DER MÜLLVERBRENNUNGSANLAGE Die Spur des Grases

Es liegt ein Geruch in der Luft. Ein undefinierbarer, penetranter Geruch, irgendwie chemisch. Nein, keine Angst, das Marihuana, dass in der Anlieferungshalle auf Paletten gestapelt ist, kann es nicht sein. Das ist in Plastik eingeschweißt, da dringt nichts raus. Beim Verbrennen später auch nicht. „Gar nichts“ werde man da riechen, sagt der Pressesprecher der Stadtreinigung Hamburg. Aus den Schornsteinen komme „nur CO2“, der Mund des Pressesprechers wird schmal. Jetzt keine Witze.

Fünfeinhalb Tonnen Marihuana liegen in der Halle der Müllverbrennungsanlage Stellingen, angeliefert von der Zollfahndung. „Der größte Aufgriff der letzten zehn Jahre“, sagt einer der Männer vom Zoll, die neben den Obstkisten mit Marihuana stehen. Ein großer Erfolg für die „Ermittlungsgruppe Hafen“, 25 Jahre wird die alt. Um das zu feiern, hat man das Marihuana mehrere Monate liegen lassen, bis jetzt.

„Könnten Sie mal zur Seite gehen“, ein Müllarbeiter schiebt eine weitere Marihuana-Palette nach vorn, unter die große, rechteckige Öffnung, wo es dann 25 Meter hochgeht. Dort oben ist der große Trichter, in den alles kommt, die ganzen eingeschweißten Pakete. Verkehrswert: „28 Millionen“, sagt eine Reporterin vom Fernsehen ehrfürchtig.

Ein Aufzug fährt hoch in die Kanzel, wo die Müllverbrennung überwacht wird. Glas nach allen Seiten, auch nach unten, 25 Meter tief. Männer in weißen Schutzanzügen bugsieren die Marihuana-Paletten an den Rand des großen Trichters, der in den Ofen führt, sie tragen Atemschutzmasken. „Wegen der Pilzsporen“, sagt der Pressesprecher der Stadtreinigung. „Die tragen die Masken immer.“

Kamerateams laufen über Metallgitter, überall dieser penetrante Geruch. „Können wir das Feuer sehen?“, fragt ein Fotograf. Das Feuer, dem das Marihuana übergeben wird. In Etage drei gibt es eine kleine Klappe, da brennt was, aber das Feuer selbst sei weit weg, sagt ein Mitarbeiter. Die Klappe sei nur zur Überwachung da.

Unten in der Einlieferungshalle sind die Paletten schon weniger geworden, die Zollfahnder geben Interviews. Ganz hinten stehen noch zwei Männer, in Windjacke der eine, der andere mit St. Pauli-Mütze. Sie sind von der Ermittlungsgruppe Hafen. Der mit der Mütze „ist mein Chef, der hat die Ladung gefunden“, sagt der in der Windjacke. Dem Chef ist das ein bisschen peinlich, er schaut weg.

Die großen Mengen an Rauschgift würden sie finden, seit es die Container gebe, sagt der in der Windjacke. In diesem Fall sei der Container aus Ghana gekommen, getarnt als Fracht mit Ananas. „Wir wollen an die Hintermänner ran“, sagt er. In diesem Fall waren es zwei Deutsche und ein Engländer.

Woher die Fracht stammt, wissen die Zollfahnder auch nicht genau. „Sehen Sie“, sagt der mit der Windjacke und hebt ein Päckchen hoch. Unter dem Plastik ist ein Geldstück eingeschweißt. „Ein Jamaika-Dollar“, sagt der Fahnder. Das sei ein Gütesiegel des Dealers, für die Qualität der Ware. „Aber“, sagt er und zeigt auf ein anderes Päckchen, „sehen Sie? Schimmel.“

Anfassen der Päckchen ist erlaubt, mitnehmen nicht. Beschlagnahmte Ware. „Verstrickungsbruch“ heißt der Straftatbestand. Vor der Halle ein Blick nach oben. Der Schornstein raucht. DANIEL WIESE