: Deutsche Männer-Kunst
Eine Ausstellung sucht nach Parametern deutscher Kunst. Im Schloss Oberhausen illustrieren Werke der Sammlung Ludwig einen der einflussreichen Blicke auf die Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert
AUS OBERHAUSENKATJA BEHRENS
Die Eingemeindung und Zusammenführung der Kunst aus DDR und BRD unter dem Label „Deutsche Kunst“ war einst ein heiß diskutiertes Thema. Das Aachener Sammlerehepaar Irene und Peter Ludwig haben mit der Besessenheit, mit der sie seit den 1970er Jahren deutsche Kunst aus Ost und West einkauften, dazu beigetragen, über Jahre hinweg diese Diskussion zu füttern. Obschon Irene Ludwig seit dem Tod ihres Mannes 1996 aus dessen mächtigem Mäzenaten-Schatten herausgetreten ist und die Sammlung fortsetzte, tat sie es doch in seinem Geiste.
Die Begegnung von Sigmar Polkes Schablonenmalerei „Gegen die zwei Supermächte - für eine rote Schweiz“ (1976) mit Werner Tübckes „Großer Kreuzabnahme“ (1983) war vor 20 Jahren wohl ein als gewalttätig empfundener Zusammenprall, die Gemeinschaft der deutschen Kunst aus Ost und West noch keine akzeptierte Nachbarschaft. Heute, im imaginären Museum nachmoderner Geschichtsdeutung, ist die Frage nach den gemeinsamen Wurzeln der deutsch-deutschen Kunst vor allem zu einem Thema akademischer Forschung geworden.
Mit der Zusammenschau von Ostkunst und Westkunst in der Ausstellung „Deutsche Bilder“ im Schloss Oberhausen wird also nicht wirklich kuratorische Aufklärungsarbeit geleistet. Das ist längst geschehen. Vielmehr drängt sich vor allem die Sammlung Ludwig wieder ins Bewußtsein und mit ihr die unreflektierte Verlängerung kulturhistorischer Gemeinplätze. Gesehen haben wir all die Gemälde schon oft, doch sind viele der besseren Katalogwerke in der Ausstellung gar nicht zu finden.
Dazu ist es eine, offenbar bisher unbemerkt gebliebene Tatsache, dass in dieser Ausstellung, die ja auf der Suche nach dem deutschen Bild zu sein vorgibt, kein einziges Werk einer Künstlerin zu finden ist. Typisch deutsch ist also scheinbar männlich. Obwohl es durchaus Kunst von Frauen in den großen Ludwig-Sammlungen Europas gibt, werden diese Arbeiten offenbar doch nicht als „stellvertretend“ wahrgenommen. Die kulturelle wie auch die politische, die wirtschaftliche wie die ideologische Definitionsmacht sind nach wie vor maskulin – so wie es die symbolische Ordnung unserer Gesellschaft seit Jahrtausenden auch ist. Allerdings taucht die Weiblichkeit dann wenigstens als Motiv auf. Oft freilich anonym. In Martin Kippenbergers 15-teiliger Arbeit „Nieder mit dem Idealismus“ (1982/83) wird sie etwa zum Synonym für die Frau schlechthin und für all die Probleme und Freuden, die man als Mann mit ihr haben kann: Eine Skizze, auf der mehrere männliche Personen schemenhaft zu sehen sind, wird von einem gemalten Textband gesäumt: „Plötzlich trat der stadtbekannte Chauvinist an den Tisch, und sie? Sie war bereit.“
Ein anderes Bild dieser lockeren Reihe zeigt das Gesicht einer Frau, der männliche Genitalien auf der Stirn wachsen, die ihren Blick einschränken und zugleich beherrschen: Penis und Hodensack baumeln vor ihrem einen Auge. Auf dem Bild nebenan räkelt sich eine Sau im Sessel. Die rüde Ironie Kippenbergers bleibt so lange amüsant bis wir gewahr werden, dass diese Sicht irgendwie repräsentativ ist - und offenbleiben muss, ob die Ironie nicht selbst eine Pose ist. Neben einem Haufen guter und mittelguter Kunst zeigt die Schau in Oberhausen tatsächlich eine Wirklichkeit: die der Ludwigs und ihrer kulturpolitischen Macht.
Bis 14. Mai 2006Infos: 0208-4124913