american pie : Der große Tanz der süßen sechzehn
Jedes Jahr im März blicken sportbegeisterte US-Bürger auf die Endrunde der Collegemeisterschaften im Basketball
Der Pokal hat seine eigenen Gesetze, lautet hierzulande die stark strapazierte Phrase für jenes Phänomen, das bei den Basketball-Collegemeisterschaften bündig unter „March Madness“ subsummiert wird. Hier wie dort bildet vor allem der K.-o.-Modus den Garant für Favoritenstürze und hohe Thrillerquote.
65 Teams, geladen als Meister ihrer jeweiligen Conference (31) oder von einem Auswahlkomitee wegen ihrer Saisonleistung für würdig erkoren (34), werden auf vier Gruppen verteilt – die überschüssige Nummer 65 in einem Vorabmatch aussortiert – und sechs K.-o.-Runden später ist nur noch der neue Champion übrig.
Am vergangenen Wochenende sind bei der diesjährigen Ausgabe des NCAA-Tournaments die ersten beiden Runden ausgetragen worden, wodurch sich das Feld bereits rasant auf die „Sweet Sixteen“ reduziert hat. Für das Auswahlkomitee, das vor Turnierbeginn für ihre ungewöhnlich starke Berücksichtigung traditionell eher schwächerer Conferences harsch kritisiert worden war, entwickelte sich der Auftakt zur großen Rehabilitierung. So strauchelten sämtliche sechs Vertreter der renommierten Big Ten – darunter Ex-Champs wie Michigan State und Indiana – oder auch Big-12-Meister Kansas, während sich mit Wichita State, Bradley oder George Mason ausgerechnet drei der vermeintlich unpassenden Nobodys in die Rolle der Cinderellas (Aschenputtel) spielten, die weiter am „Big Dance“ teilnehmen dürfen.
Noch im Rennen übrigens auch die Mountaineers von West Virginia mit dem deutschen Nationalspieler Johannes Herber, die am Donnerstag in die Position der Underdogs geraten, wenn sie gegen Texas antreten müssen.
Ansonsten entgingen natürlich einige der Großen der Blamage eines frühzeitigen Knock-outs. Mit Villanova, Memphis, Duke und Connecticut wurden etwa alle vier der an einen Gruppenspitzenplatz gesetzten Teams ihrer Favoritenrolle am ersten Wochenende gerecht, und nicht nur bei den zahllosen Wettern, die in diesem Jahr geschätzte 7 Milliarden Dollar auf den bedeutendsten Sportevent jenseits des Super Bowls setzen, gelten insbesondere die Blue Devils aus Duke und die Huskies aus UConn weiter als aussichtsreichste Titelanwärter.
Zur Freude der Quotenzähler bei CBS, die alljährliche Rechtekosten von über 500 Millionen Dollar einzuspielen haben, kann zudem weiter an der Story um die beiden Topspieler des Turniers gestrickt werden. Zum ersten Mal in der schillernden Geschichte des Tournaments sind nämlich zwei Leistungsträger von Topteams zugleich die landesweit erfolgreichsten Korbjäger der Saison.
Adam Morrison aus dem abgelegenen Spokane (Washington), der seine Lehrer an der kleinen jesuitischen Hochschule Gonzaga schon mal mit Karl-Marx-Zitaten piesackt, führt die Scorerliste mit 28,4 Punkten pro Partie an, knapp gefolgt von Dreierspezialist J. J. Redick (27,4 Punkte), der in seinem vierten und letzten Collegejahr die Rekordbücher an der Basketballhochburg Duke umschrieb.
Solange Gonzagas 2,04 Meter großer Forward und Dukes Shooting Guard mit der lehrbuchhaften Wurftechnik ihren Traum vom ersten Titelgewinn wach halten können, weht also ein Hauch jenes historischen Showdowns zwischen Magic Johnson und Larry Bird aus dem Jahre 1979 durch das Tournament. Zu einem direkten Aufeinandertreffen der beiden Scharfschützen kann es allerdings frühestens im Final Four kommen.
Voraussetzung dafür ist jeweils ein Überstehen der beiden nächsten Runden. Die Blue Devils erwarten am Donnerstag zunächst die Tigers aus LSU, deren Big Man Glen Davis sich am Brett einen sehenswerten Kampf gegen Dukes Centerhünen Shelden Williams liefern dürfte, während es für die Bulldogs aus Gonzaga in die Bay Area von San Francisco nach Oakland gehen wird, wo am selben Tag ein von allen Westküstenfans sehnlichst erwartetes Gipfeltreffen mit dem Rekordmeister aus UCLA auf dem Programm steht. Derweil wird für wenigstens ein Cinderellateam der große Ball in dieser Runde ein Ende finden, denn George Mason und Wichita State werden am Freitag im MCI Center von Washington zum Tanz gebeten, und wie immer bei March Madness herrscht die Regel: Nur der Gewinner bleibt.
JENS PLASSMANN