Professoren lernen verständlich dozieren

Die Kinder-Vorlesungen an der Humboldt-Universität sind eine Herausforderung – für Grundschüler und Dozenten

„Eltern nehmen bitte im Kinosaal Platz“ steht auf den orangefarbenen Papiereintrittskärtchen, die vor dem Audimax der Humboldt-Universität (HU) verteilt werden. Nur die 600 minderjährigen „Studenten“ dürfen bei der Kinder-Uni den Professoren im größten HU-Hörsaal lauschen. Sie sind zwischen 8 und 13 Jahre alt. Normalerweise besuchen sie die Grundschule.

Während die Kinder sich an die ungemütlichen Holzsitze gewöhnen, muss die Handvoll mitgebrachter Lehrer kurz vor Beginn dieser ersten Kinder-Vorlesung auf den Treppenstufen an der Seite stehen. Sie wachen über ihre Schützlinge, weisen den ein oder anderen zurecht und mahnen immer wieder zur Ruhe. Als der Gong um 17 Uhr die Vorlesung einläutet, wird es still. Hunderte Kinderaugen starren wie gebannt auf den Mann hinter dem Rednerpult: Musikwissenschaftler Christian Kaden. „Meine jungen Damen und Herren“, beginnt er seine Vorlesung, „ich habe interessantes Zeug für euch!“ Konkret gehe es um die Frage: „Wie fühlt sich Musik an?“

Toller Auftritt des Profs

Die Kinder sind begeistert vom Auftritt des Professors. Kaden röhrt wie ein Hirsch und brüllt wie ein Löwe, jodelt und pfeift, gibt eine Rache-Arie von Beethoven und ein Wiegenlied von Schubert zum Besten. Und er denkt auch an die interaktive Komponente seiner Vorlesung: Auf seinen Wunsch schmettern ihm 600 Kinderstimmen voller Inbrunst ihre Interpretation der Obertonstimme entgegen. „Das könnt ihr dann zu Hause weiterüben“, ruft Kaden schließlich in die kreischende Menge. Dann herrscht wieder eine Weile Ruhe.

Doch diszipliniert wie die Studenten, die Kaden sonst vor sich hat, sind die Kinder nicht. Ständig wird getuschelt, Papierbälle landen auf den Nachbarbänken, Stifte kugeln von der Schreibklappe und müssen auf dem Boden wiedergefunden werden. Und als Kaden seine Vorlesung um eine Viertelstunde überzieht, ist die Konzentration der Kinder vollends dahin. Eine normale Schulstunde wäre nun längst vorbei. Glücklich, aber auch erschöpft geben die Kinder zum Abschluss ein Trommel- und Klatschkonzert – auch so kann sich Musik anfühlen.

Ausgewählt wurden die Dozenten der Kinder-Uni nach den Kriterien Zeit und Thema, sagt deren Organisator Rico-Thore Kauert. Die meisten machten das gerne – solange sie nicht im Forschungssemester oder verreist seien. „Schließlich ist es auch eine Möglichkeit, den eigenen Fachbereich vorzustellen, und es unterscheidet sich vom Alltag mit den Studenten“, so Kauert.

Die Themen habe man speziellen Büchern über Kinderfragen, aber auch den Fragebögen entnommen, die die Kinder in den vergangenen zwei Jahren bei den Vorlesungen ausgefüllt haben. Doch „es ist jedes Mal wieder ein Experiment“.

Die Professoren, oft ungeübt im Umgang mit Kindern, bekommen ein „Starter-Paket“ an die Hand. Darin werden didaktische Grundlagen erklärt. „Holen Sie das Kind da ab, wo es sich befindet“, ist Kauerts wichtigster Hinweis. „Ich habe dreimal so viel Zeit gebraucht wie für eine normale Vorlesung“, sagt Musikwissenschaftler Kaden über seine Vorbereitung. „Es war sauschwer.“ Doch er habe bei der Vorlesung viel Freude gehabt, „vor allem an den Reaktionen der Kinder während der Veranstaltung, weil sie so wunderbar mitgegangen sind“. Wie seine musischen Künste bei den Jüngsten ankommen, konnte er im Vorfeld bei seiner zweijährigen Enkelin testen: Sie nenne ihn jetzt nur noch „Opa Lulalu“.

MARIA DALDRUP

Zwei Kindervorlesungen folgen noch: Am 23. März erklärt Rehabilitationswissenschaftlerin Sabine Koppetsch, wie das Sprechen funktioniert. Am 30. März geht Kunsthistorikerin Claudia Rückert der Frage nach: „Warum tragen Mädchen Rosa und Jungs Blau?“ Beginn ist um 17 Uhr, Karten gibt’s ab 15.45 Uhr. Rechtzeitig da sein!