sucht nach den schönsten Spielsachen

SYLVIA PRAHL

Wenn nichtbehinderte Kinder auf behinderte Kinder treffen, fragen sie normalerweise ja nicht, was das behinderte Kind ganz genau für eine Behinderung hat. Sie finden das andere Kind interessant und fragen „Wie heißt du?“ oder „Geht ihr jetzt auch schwimmen?“ Natürlich fragen sie auch, was das für ein Schlauch ist, der dem anderen Kind in der Nase steckt und hinten am Rollstuhl hängt, oder warum ihm die Augen wegrollen und die Zunge raushängt. Da komme ich in Erklärungsnöte, wie so oft, wenn der Wissensdurst einer normalen Vierjährigen im Minutentakt gestillt werden will. Fragen, wie ein Kind mit Downsyndrom und seine Familie so leben, beantwortet Birte Müller in Planet Willi. Die Hamburger Autorin und Illustratorin, die unseren Haushalt bereits mit „Auf Wiedersehen, Oma“ bereichert hat, beschreibt in dem Bilderbuch kindgerecht und für alle Altersstufen erhellend den Alltag mit ihrem Sohn Willi und dessen körperliche und geistige Besonderheiten. Der Kniff, Willi zu einem Außerirdischen zu machen, der sich auf der Erde einrichten muss, funktioniert sofort. In thematisch gebündelten Abschnitten wie „Willis Zunge“, „Willi und das Sprechen“, oder „Willi will küssen“ erklärt Müller Willis auf der Erde als abweichend empfundenes Verhalten mit den anderen Lebensumständen und Gewohnheiten auf seinem Heimatplaneten. Krank ist Willi demnach so oft, weil es auf seinem Planeten einfach keine Bakterien und Viren gibt, und seine Zunge hängt schlapp raus, weil sie auf Planet Willi nur zum Anschlecken von Dingen und zum Verteilen feuchter Küsse benutzt wird. Andere „Besonderheiten“ wie Trotzanfälle, die Weigerung, dieselbe Richtung einzuschlagen, das Diktat, Weihnachtsmusik zu jeder Jahreszeit zu hören, klingen dagegen sehr irdisch und normal. Auch das Unverständnis anderer Kinder und Erwachsener, wenn die Liebe etwas zu ungestüm und sehr körperlich gezeigt wird, ist ein intergalaktisch zu beobachtendes Phänomen. Das Verhalten ihres Sohnes, das also oft gar nicht so anders ist, aber viel extremer, hat Müller anderswo als hypernormal beschrieben – und wird von auf Krawall gebürsteten „normalen Erdenkindern“ (Zitat Müller) sofort als verbindend empfunden. Aus den subtil humorvollen Texten strahlt eine ungeheure Leichtigkeit. Mit den grandiosen dada-wimmelbuchartigen Illustrationen liefert Müller zusätzliche detailreiche Informationen und macht, in dem sie sich selbst erschöpft und überfordert darstellt, keinen Hehl daraus, wie anstrengend das hypernormale Leben ist (Klett Kinderbuch, 13,90 €, ab 4 Jahre).

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