: Lenin, Stalin, Allah und Er
VON SYLVIE FRANÇOISE (FOTOS) und SVEN HANSEN (TEXT)
„Sie haben erst Lenin geliebt, dann Stalin … jetzt ist es Allah oder ich. Wohl besser, ich bin’s.“ Mit diesen Worten erklärte Saparmurad Nijasow den um ihn getriebenen Führerkult gegenüber einem westlichen Geschäftsmann. Damit fordert der turkmenische Diktator sogar noch Nordkoreas Kims heraus. Während dort die Zeitrechnung mit dem Geburtsjahr Kim Il Sungs beginnt, hat Nijasow den Monat Januar nach sich und den April nach seiner Mutter benannt.
Der 65-Jährige, dessen Wort in der Praxis sofort Gesetz ist, lässt sich von seinen 4,8 Millionen Landsleuten Turkmenbaschi – Führer der Turkmenen – nennen. 1985 war er von Michail Gorbatschow als Moskaus Statthalter in der damaligen Sowjetrepublik eingesetzt worden. 1991 wurde er erster Präsident des unabhängig gewordenen Landes, das im Westen an das Kaspische Meer und im Osten an Afghanistan grenzt. Wahlen hat Nijasow seitdem immer mit Ergebnissen von angeblich 99 Prozent gewonnen. Seit Dezember 1999 ist er Präsident auf Lebenszeit. Doch die Umstürze in Kirgisien und der Ukraine machten ihn nachdenklich und ließen ihn vor einem Jahr plötzlich für 2008 Präsidentschaftswahlen ankündigen. Am Sieger gibt es keinen Zweifel.
Bei den letzten „Wahlen“ konzentrierten sich die Kandidaten im Einparteienstaat auf Nijasows 2001 veröffentlichtes Buch „Ruchnama“ („Buch der Seele“). Das quasireligiöse „Weisheitsbuch“ ist Pflichtlektüre. Wer in den öffentlichen Dienst will oder auch nur den Führerschein erwerben möchte, kommt an länglichen „Ruchnama“-Rezitationen nicht vorbei. Der große Führer ließ Verse seines Buchs neben denen des Koran in der von ihm erbauten angeblich weltgrößten Moschee in seinem Heimatort Kiptschak anbringen. Als der Mufti dagegen protestierte, wurde er zu 20 Jahren Haft verurteilt.
Trotzdem hält sich die Kritik des Westens an Nijasows Regime in Grenzen. Turkmenien hat große Gas- und Ölvorkommen und liegt in einer strategisch wichtigen Region. Gute Beziehungen hat der Herrscher zu Deutschland. Die Deutsche Bank verwaltet das Vermögen seiner Präsidentenstiftung. Siemens modernisierte Nijasows TV-Sender, in dem täglich aus dem Buch „Ruchnama“ vorgelesen wird. DaimlerChrysler ließ es aus Dank für einen Großauftrag gleich ins Deutsche übersetzen.