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Archiv-Artikel

Heimat ist nicht nur ein -tum-Wort

FESTIVAL Im Ballhaus Naunynstraße sucht man mit Black Lux nach einer Heimat aus schwarzer Perspektive

Black Lux

■ Als Plattform für postmigrantisches Theater versteht sich das Ballhaus Naunynstraße, in dem man angesichts der zuletzt recht hitzig geführten Debatten über Blackfacing und das N-Wort der Meinung ist, dass es höchste Zeit für ein Heimatfest sei: „Ein Heimatfest aus Schwarzen Perspektiven“ ist das Black-Lux-Festival, mit dem man im Ballhaus Naunynstraße nach der Sommerpause in die neue Spielzeit geht. Ab 28. August gibt es vier Wochen lang internationale und deutsche Gastspiele, eine neue Eigenproduktion und ein breit gefächertes Rahmenprogramm mit Ausstellung, Filmen und Vorträgen.

VON JÖRG SUNDERMEIER

Vier Wochen lang wird das Festival Black Lux das Ballhaus Naunynstraße in Beschlag nehmen. Black Lux ist, so nennen es die künstlerischen Leiter des Ballhauses, Wagner Carvalho und Tunçay Kulaoğlu, ein „Heimatfest aus Schwarzen Perspektiven“. Selbst wenn man noch nicht weiß, dass sich das Ballhaus vornehmlich mit den Auswirkungen von Migration auf die deutsche Gesellschaft beschäftigt, wird man ahnen, dass es sich bei den „Schwarzen Perspektiven“ nicht um Ansichten der CDU/CSU handelt.

Selbst die Kanzlerinnenpartei weiß, dass der Begriff Heimat schwer kontaminiert ist, von diesem Begriff lässt man außerhalb von Schützenfestzelten und Heimatvereinen gern die Finger. Vom Wort Heimat, weiß man, ist es nicht weit zur Heimattümelei, die Heimattümelei führt schnell zu vaterländischen Erweckungserlebnissen, und von diesen aus ist es nur ein Schritt bis zur Schlacht von Stalingrad. Selbst diejenigen PolitikerInnen, die mit dem Zustand des Landes rundweg einverstanden sind, meiden daher den Begriff Heimat immer dann, wenn die kritische Öffentlichkeit hinhört.

Genau jene aber ist nun ins Ballhaus Naunynstraße eingeladen, um sich einem Heimatfest hinzugeben. Ist der Begriff hier also etwa ironisch gebraucht?

Nicht unbedingt, stellt Wagner Carvalho gegenüber der taz fest: „Heimat kann auch eine schwarze WG im afropolitanen Berlin sein, wie wir das in unserem Stück ,Schwarz tragen‘ thematisieren. Denn die Frage, wo wir uns heimisch, zu Hause fühlen, ist jenseits aller großen Erzählungen, hat aber durchaus mit Herrschaftsverhältnissen zu tun. Black Lux ist eine künstlerische Intervention und versucht, Heimat dingfest zu machen, denn je konkreter sie definiert wird, desto einfacher wird auch ihre Pflege.“

Die Heimat in den Köpfen

Es bleibt dann allerdings die Frage, ob jene, die ihr Land verlassen haben oder in diesem Land nicht akzeptiert werden, wirklich eine Heimat brauchen. Carvalho: „Sie nehmen ihre Heimat einfach mit, konfrontieren damit die ‚Gastgeber‘, die sie in seltensten Fällen selber ausgesucht haben, und fordern sich und die anderen dadurch heraus. Denn Heimat befindet sich zuerst in den Köpfen. Und ich denke, eine neue Heimat brauchen vor allem die, die ihr Land nicht verlassen haben und darin voll akzeptiert werden. Denn die Gefahr für sie ist ziemlich groß, dass sie darin vergammeln.“

Dass Leute in ihrem Heimatbegriff vergammeln können, zeigt sich aktuell in Hellersdorf, wo über eine dümmliche Wir-die-Dichotomie die so oft angesprochenen „Ängste der Leute“ ja nicht von Rechten „instrumentalisiert“ werden, da die Leute dank ihrer Selbstdefinition eh andere ausschließen.

Im Ankündigungstext zu Black Lux wird vom Gestaltungswillen schwarzer Menschen in Deutschland gesprochen, der das Land bereits seit Jahrhunderten mitpräge. Lässt denn die weiße Mehrheitsgesellschaft Schwarze mitgestalten? „Nicht auf Augenhöhe“, meint Carvalho. „Sonst würden wir in einem Land wie Deutschland und einer schwarzen Metropole wie Berlin kein Kunstfestival aus Schwarzen Perspektiven machen. Aber es geht auch nicht darum, wozu die Mehrheitsgesellschaft nicht imstande ist, das kennt man schon seit Jahrhunderten, sondern einzig und allein um Selbstermächtigung derjenigen, die viele Heimaten haben und an den Stammtischen aller Gesellschaftsschichten Stühle verrücken. Wir müssen uns einfach weiterbewegen.“

Ein Heimatfestival ist Black Lux also, das helfen soll, Deutschen aller Couleur zu einer neuen Heimat zu verhelfen. Einer wahnfreien. Das ist ein hehres Ziel.