: Ein Anruf bei der Schufa bringt Freundlichkeiten
DATEN Auskunfteien wie die Schufa bewerten die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern. Diese kriegen bei schlechter Bewertung keine oder nur teure Darlehen. Aber wie wird das entschieden? Seit April soll mit der Geheimniskrämerei endlich Schluss sein. Wirklich? Ein Versuch
Die Bürger erhalten künftig mehr Rechte gegenüber Auskunfteien wie der Schufa, Creditreform, Infoscore und anderen. Diese müssen die gespeicherten persönlichen Daten offenlegen und erklären, nach welchen Maßstäben sie die Kreditwürdigkeit von Konsumenten beurteilen. Mit einem mathematisch-statistischen Verfahren, dem sogenannten Scoring, berechnen sie, wie hoch das Risiko ist, dass ein Kunde seine Schulden nicht bezahlt. Verbraucher können fehlerhafte Einstufungen auch korrigieren lassen. Der Bundestag hatte am 29. Mai 2009 eine entsprechende Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes verabschiedet.
VON HANNA GERSMANN
Plötzlich ist die Kreditkarte gesperrt. Ein Versandhändler will nur per Nachnahme liefern. Der Handyvertrag wird abgelehnt. Das kann jederzeit auch all jenen passieren, die keine Schulden haben. Grund: Zum Beispiel ein negativer Schufa-Eintrag. Die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung und andere Auskunfteien, verdient ihr Geld damit, Verbraucherdaten zu speichern – Adresse, Umzüge, Mahnbescheide. Daraus ermittelt sie das wahrscheinliche Zahlungsverhalten von Kunden – für Banken, Vermieter, Telekomfirmen. Kunden hatten bisher kaum einen Einblick, die Firmen rückten die Daten nicht für jeden raus. Das ändert sich, seit 1. April greift eine Neuregelung im Datenschutz. Jeder kann einmal im Jahr kostenlos Einsicht verlangen in die über ihn gespeicherten Daten: ein Versuch, ein Anruf unter (0 18 05) 72 48 32 bei der Schufa (Slogan : „Wir schaffen Vertrauen“)
„Herzlich willkommen“, sagt eine automatische, weibliche Telefonstimme. Es dauert keine Minute, dann ist eine Frau in der Leitung, die erklärt, dass es eine Auskunft nur schriftlich gibt, dass dafür ein Bestellformular ausgefüllt werden muss, dass dieses jeder über das Internet bekommen kann. Dann sagt sie: „Im Moment ist unsere Seite www.meineschufa.de allerdings etwas überlastet, nicht wundern.“ Es ist Tag eins der Auskunftspflicht. Sie bekommen bei der Schufa „viele, viele“ Anrufe an diesem Tag. Die Seite baut sich einfach nicht auf.
PETER SCHAAR, DATENSCHÜTZER
„Ich spiele das aber trotzdem mal mit Ihnen durch“, sagt die Schufa-Mitarbeiterin. „Sie gehen auf unsere Seite, links zu ‚Produkte‘, dann ‚Datenübersicht nach Paragraph 43 Bundesdatenschutzgesetz‘, klicken Sie auf ‚Jetzt bestellen‘.“ Etwas umständlich ist das, aber gut, weiter. „Den Ausdruck füllen Sie aus und schicken ihn mit einer Kopie Ihres Ausweises ab.“
Sie verspricht, dass dann zügig eine Liste kommt mit allen gespeicherten eigenen Daten. Die Schufa speichert, ob Kunden eine EC- oder eine Kreditkarte haben. Sie weiß, wie hoch die Schulden sind und ob diese ordentlich abbezahlt werden. Sie errechnet aus über 370 Millionen Einzeldaten Punktwerte, die Scores. Die Kunden erhielten nun ein Sammelsurium von Daten, „nichts ist erklärt“, meint die Frau im Schufa-Callcenter. Das erstaunt. Die Auskunfteien sind eigentlich verpflichtet, auch offenzulegen, wie sie etwa die Daten gewichten. Schließlich kann der Score schon allein deshalb schlecht ausfallen, weil die Nachbarn Schulden haben, die Wohngegend einen schlechten Ruf hat. Dann kann es sogar schwierig werden, ein Girokonto zu eröffnen. Nachfrage.
„Nein, nein“ – natürlich würden die Scorewerte auch erläutert, so die Antwort. Inwieweit das über die einfache Regel – je besser der Wert von 1 bis 1.000, desto kreditwürdiger ist der Kunde – hinausgeht, bleibt jedoch offen. Dafür macht sie ein Angebot: „Für 12,50 Euro pro Jahr können Sie künftig nicht nur einmal im Jahr, sondern kontinuierlich online nachverfolgen, welche Daten gerade von Ihnen gespeichert sind.“
Der Dienst gegen Geld garantiert mehr Transparenz, ist so selbstlos allerdings nicht. Immerhin fallen so Fehler schneller auf. Und Fehler passieren häufig. Namen werden falsch geschrieben, Daten verwechselt. Als das Bundesverbraucherschutzministerium vor einiger Zeit die Datensammlungen prüfen ließ, kam raus, dass die Schufa bei fast jeder zweiten Person Fehler macht. Mögliche Folge: Der Kunde rutscht in eine schlechte Bewertung ab, Darlehen zum Beispiel können dann teurer werden.
Es dauert jedenfalls länger als einen Tag bis zur Gratisauskunft. Abschrecken lassen sollte sich davon aber keiner. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar rät: „Nehmen Sie Ihre Rechte wahr! Eine kritische Öffentlichkeit und aufmerksame Bürgerinnen und Bürger sind der wahre Garant für Datenschutz.“ Er hat Vordrucke für eine Anfrage bei verschiedenen Auskunfteien ins Netz gestellt, zu finden unter www.bfdi.bund.de/cln_134/DE/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemitteilungen/2010/15_NovelleAuskunfteien.html?nn=408908. „Verbraucher sollten auf klare Auskünfte pochen“, meint Gerd Billen, Chef des Bundesverbraucherverbandes. Sein Verband hat eine Onlineumfrage umfrage.vzbv.de/18817 gestartet, damit jeder seine Erfahrungen mit dem neuen Auskunftsrecht schildern kann. Am Tag eins der neuen Auskunftspflicht lässt sich nur so viel sagen: Der Abschied von der Schufa ist freundlich – „Vielen Dank für Ihren Anruf“, sagt die Mitarbeiterin.