WM-Fieberkurve : Für die gute Sache
15.000 freiwillige Helfer, liebevoll „Volunteers“ genannt, werden bei der Fußball-WM im Sommer zum Einsatz kommen, allein rund 1.700 in Berlin. Sie sollen, laut Organisationskomitee (OK), „Spielern, Offiziellen und vor allem den Fans aus aller Welt hilfreich zur Seite zu stehen“. Den geistig-kulturellen Mehrwert dieser guten Taten in spe liefert OK-Präsident Franz Beckenbauer Sinnsuchenden gleich mit: „Schließlich sind es die Volunteers, die unser Motto ‚Die Welt zu Gast bei Freunden‘ mit Leben füllen werden.“
Kumpel Klaus ist mit Begeisterung dabei. Wenn auch nicht, um das Motto der Sportveranstaltung mit Leben zu füllen. Als Vertreter der Generation Praktikum wittert er die Chance, sich einmal auf einer ganz anderen Geschäftsgrundlage zu betätigen. Sechs seiner acht Praktika hat er für lau absolviert. Mit freiwilligem Ehrenamt kennt er sich aus. Der Unterschied zwischen Praktikanten und Volunteers: Eine spätere Festanstellung wird gar nicht erst versprochen. Klaus reizen andere Aussichten – zum Beispiel Spielern „hilfreich zur Seite stehen“ zu dürfen. Promis für lau! Selbst Fans zu helfen kann seinen Reiz haben – wenn das Ganze im Stadion während eines Spiels stattfindet. Pech bei der Ticketverlosung gehabt? Kein Problem, einfach freiwillig ins Stadion melden!
Bei solchen Aussichten verwundert es nicht, dass sich auf die 15.000 zu vergebenden Jobs bislang 50.000 Tatendurstige gemeldet haben. Das dürfte gerade so reichen. Schließlich muss aus Gründen der Sicherheit erst mal überprüft werden, ob die Bewerber den richtigen sozialen und kulturellen Hintergrund haben und auch die passende Gesinnung mitbringen. Bei freiwilligen Terroristen kann man nie vorsichtig genug sein. Deshalb hört bei ehrenamtlichen Gastgebern die Freundschaft auf.
Verdächtig sind aber nicht nur die Freiwilligen, sondern auch die „Kick-off-Veranstaltungen“, zu denen jeweils das gesamte „Volunteers-Team“ der Spielorte eingeladen wird. Dort sollen Beckenbauers willige Helfer „auf die WM eingestimmt werden“. Der gestrige „Volunteer Kick-off“ in Berlin dauerte rund 90 Minuten – ein Mix aus Moderation, Einspielfilmen, Unterhaltung und Talkrunden. Statt späterer Festanstellung wird viel Spaß versprochen. Wo erst noch viel Spaß versprochen werden muss, winken wahrscheinlich weder kostenlose Stadionplätze noch nette Bekanntschaften im Spielerbereich. Immerhin: Mit Jobs in der Garderobe des Stadionkellers oder Kaffeekochen fürs OK kennen erfahrene Praktikanten sich bestimmt bestens aus.
LARS KLAASSEN