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Archiv-Artikel

„ETA hatte keinen anderen Ausweg“

Soziologieprofessor Joseba Arregi sieht den Waffenstillstand der Separatisten als Sieg der Justiz und Niederlage der ETA. Zugeständnisse der spanischen Regierung nach dem Vorbild Nordirlands erwartet er nicht: Die baskische Autonomie hat alles

INTERVIEW REINER WANDLER

taz: Meint es ETA mit dem „dauerhaften Waffenstillstand“ ernst, oder besteht die Gefahr, dass die Separatisten wieder zu den Waffen zurückkehren, wie bei der Feuerpause 1998?

Joseba Arregi: Ich bin sicher, dass es ETA dieses Mal ernst meint. Im ETA-Kommuniqué fallen zwei Aspekte auf. Zum Ersten: Der Kernsatz, in dem die Waffenruhe verkündet wird, ist kurz und knapp und er steht alleine da, ohne viele relativierende Worte darum herum, wie das sonst üblich war. Und zum Zweiten: Auch wenn wir das Kommuniqué noch so genau mit der Lupe lesen, finden wir keinerlei Bedingungen, an die der Waffenstillstand geknüpft wäre. ETA bekräftigt ihren Willen, weiterhin für das Selbstbestimmungsrecht der Basken zu kämpfen, macht dieses Recht aber nicht zur Bedingung dafür, die Waffenruhe aufrechtzuerhalten.

ETA versucht seit Jahren den nordirischen Friedensprozess zu kopieren. Müssen wir befürchten, dass ETA ähnlich wie die IRA kurzzeitig zu den Waffen zurückkehrt, um mehr Druck auszuüben?

Nordirland wird immer als Beispiel angeführt. Es ist nicht schlecht, einen Bezugspunkt zu haben. Aber auch ETA dürfte klar sein, dass die Situation im Baskenland mit der in Nordirland nicht zu vergleichen ist. In Nordirland konnte die britische Regierung Zugeständnisse machen. Die Autonomie wurde eingeführt, Sinn Féin wurde am politischen Prozess und an der Regierung beteiligt. Hier ist das anders. Im Baskenland haben wir eine Autonomie, die weit über das hinausgeht, was Nordirland jemals haben wird. Außerdem gibt es in Nordirland eine klare Spaltung der Bevölkerung in Katholiken und Protestanten. Die Katholiken waren vor dem Friedensprozess völlig aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und sozial marginalisiert. Im Baskenland gibt es auch das nicht. Wenn hier jemand die politische Macht fest in den Händen hat, dann sind es die Nationalisten und nicht umgekehrt.

Was für Zugeständnisse kann die spanische Regierung dann noch machen, um ETA zufrieden zu stellen?

Sehr wenige. Denn die baskische Autonomieregierung verfügt längst über alle wichtigen Kompetenzen. Steuerhoheit, eigene Polizei etc. Viel mehr geht nicht. Das heißt, das Ganze wird sich wie im Falle des neuen katalanischen Autonomiestatutes auf einige symbolische Formulierungen beschränken.

Aber ETA braucht Erfolge, um mit erhobenen Haupt aus dem Untergrund zurückzukehren. So wie Sie das darstellen, wäre dies eine Niederlage für ETA.

Ja, was gerade geschieht, ist eine Niederlage ETAs. ETA versucht dies zu vertuschen, in dem sie zusammen mit Batasuna nach einer Lösung sucht, bei der sie sagen können, schaut her, wir kommen zurück bekleidet mit einem Anzug von Hugo Boss. Aber in Wirklichkeit laufen sie in Unterhosen herum. Deshalb versuchen sie jetzt von der Regierung wenigstens ein Paar Jeans zu bekommen, egal wie abgetragen und zerschlissen diese sind.

Das heißt, wir müssen uns bei Richter Baltazar Garzón und der Regierung von José María Aznar für deren harte Hand gegen ETA und Umfeld bedanken?

Ganz genau. Jetzt wird die sozialistische Regierung zwar versuchen, uns glauben zu machen, dass der Waffenstillstand von ETA das Ergebnis eines internen Meinungsbildungsprozesses sei, der durch die veränderte internationale Lage zustande kam. Doch all das wäre nicht passiert, wenn der Staat nicht gesagt hätte: Aus und vorbei! Es gibt keine Verhandlungen und keine Zugeständnisse gegenüber der Gewalt. Der Rechtsstaat setzt alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ein, um dem Terror entgegenzutreten. Es waren die Justiz mit Garzón an der Spitze, die Regierung Aznar zusammen mit der damaligen sozialistischen Opposition im Antiterrorpakt und das Parteiengesetz, das zum Batasuna-Verbot führte, die ETA in eine Sackgasse trieben. ETA hatte keinen anderen Ausweg mehr als den Waffenstillstand.