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Archiv-Artikel

„Modellvielfalt wird zunehmen“

Der Industrieökonom Christian Rammer über die Konzentration in der Autobranche und die Zukunft von elektrobetriebenen Premium-Autos

Christian Rammer

■ 44, ist Projektleiter im Forschungsbereich Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung.

taz: Herr Rammer, warum muss so ein großes Unternehmen wie Daimler auf Know-how von Renault-Nissan zurückgreifen?

Christian Rammer: Die Autokonzerne stehen vor neuen Anforderungen wie deutlich umweltfreundlicheren Antriebstechnologien oder Konzepten für Mobilität im urbanen Raum. Gerade in Krisenzeiten sind diese Aufwendungen für so große Unternehmen wie Daimler aber schwierig zu finanzieren. Deshalb kooperieren sie oder kaufen sich Know-how zu.

Kommt jetzt der Durchbruch für elektrobetriebene Premium-Autos?

Nein. Einen großen Technologiesprung erwarte ich von dieser Kooperation nicht.

Warum denn nicht?

Weil die Batterietechnologie noch nicht so weit ist, dass man den Fahrkomfort und die Leistungsmerkmale eines Premium-Fahrzeugs wie Mercedes mit herkömmlicher Technologie umsetzen könnte. Die Erwartungen an die Elektromobilität sind im Moment zu hoch. Realistisch ist, dass in den nächsten zehn Jahren batteriebetriebene Kleinwagen im Stadtgebiet fahren können.

Durch Fusionen und Kooperationen könnten in einigen Jahren nur noch wenige große Autokonzerne übrig bleiben. Sitzen die Käufer am Ende trotz unterschiedlicher Markennamen alle im gleichen Auto?

Die Modellvielfalt wird sicher nicht abnehmen. Volkswagen zum Beispiel hat neun Marken im Konzern, und diese sind sehr unterschiedlich bezüglich Ausstattung und Technologieplattformen. Zwischen einem Audi A8 und einem VW Polo gibt es kaum Gemeinsamkeiten.

Auch wenn es weiterhin unterschiedliche Modelle gibt, werden heute schon Motoren und andere Teile ausgetauscht.

Die drei Autokonzerne

Daimler: Umsatz 2009: 79 Milliarden Euro; Verlust: 2,6 Milliarden Euro; Absatz: 1,1 Millionen Autos; Mitarbeiter: 256.400; Pkw-Marken: Mercedes-Benz, Smart, Maybach, AMG; Großaktionäre: Aabar Investments (9,1 Prozent), Kuwait Investment Authority (6,9 Prozent).

Renault: Umsatz 2009: 33,7 Milliarden Euro; Verlust: 3,1 Milliarden Euro; Absatz: 2,3 Millionen; Mitarbeiter: 121.400; Marken: Renault, Dacia, Renault Samsung Motors; Großaktionäre: Frankreich (15 Prozent), Nissan (15 Prozent).

Nissan: Umsatz: 59 Milliarden Euro erwartet; Gewinn 2009/2010: 278 Millionen Euro erwartet; Absatz: 3,2 Millionen; Mitarbeiter: 167.000; Marken: Nissan, Infiniti; Großaktionär: Renault (bisher 44 Prozent, nun 43); seit 1999 Renault-Nissan-Allianz über Aktientausch.

Natürlich gibt es Komponenten, die sich bewährt haben und in allen Autos verwendet werden. Aber ein Modell ist deutlich mehr als nur der Motor, das Getriebe und das Fahrwerk. Die Vielfalt wird auf globaler Ebene sogar noch zunehmen. Denn für Indien oder China wird man andere Modelle entwickeln müssen als für Europa.

Und diese Modelle werden künftig nur noch von fünf großen Autokonzernen fabriziert?

Ob es genau fünf sein werden, weiß ich nicht. Eine weitere Marktkonzentration wird aber stattfinden. Das heißt aber nicht, dass auch die Zahl der unterschiedlichen Modelle verringert wird. INTERVIEW: JULIA HENKE