Antrainierte kleine Unterschiede

FUSSBALL Im Ostkurvensaal des Weser-Stadions diskutieren ExpertInnen über gelernte Vorurteile zum Unterschied zwischen den Geschlechtern

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Fußball ein beliebtes Spiel für alle Geschlechter. Für die Frauen jedoch sei es zu körperbetont, entschied ein Mann und entwickelte für sie das Handballspiel:

■ Der Oberturnwart Max Heiser erfand das Spiel 1917.

■ Verboten war zu jener Zeit jede Art von Körperkontakt.

■ Zwei Jahre später wurden Zweikämpfe im Handball erlaubt.

■ Dem Fußball entlehnt sind Spielfeld und Schiedsrichter.

Vor allem junge Leute saßen um das Podium im Ostkurvensaal des Weserstadions. „Gender kicks“ – Gender im Fußball war das Thema, das Fanprojekt hatte zu einer Diskussion mit zwei Soziologinnen geladen. „Es geht um den Körper“, sagt Soziologie-Professorin Sabine Hark. Gender meint im Gegensatz zum biologischen das soziale Geschlecht und die damit verbundenen Zuschreibungen: Männer sind athletisch und Frauen zart.

Im Sport sind diese Geschlechterunterschiede selbstverständlich, insbesondere im Fußball. Die Menschen könnten zwar keine Genitalien sehen, unterstellten sie aber. Und was die Geschlechter ausmacht sei kulturell eingeübt. Mädchen und Jungen würden darauf trainiert, unterschiedlich zu sein. Das ist eine „Verquickung von Vorstellungen über Körper und Geschlecht“, so Hark. Die Bilder des Männlichen und des Weiblichen entwickelten sich, so die Soziologin Marion Müller, „historisch“ und seien nicht weltweit gleich. In den USA beispielsweise sei Fußball eher den Frauen vorbehalten. Müller sieht den Sport gar als „Anomalie der Gesellschaft“. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sei die Gleichstellung von Frauen immer mehr forciert worden, beispielsweise im Wahlrecht. Im Sport dagegen „flogen sie raus“. In England war der Frauenfußball von 1921 bis 1970 verboten. „Dann wird Fußball eben männlich konnotiert“, so Müller. Müller hat in ihren Untersuchungen im Profifußball festgestellt, dass Frauenfußball oft als „ganz andere Sportart“ und damit von den Akteuren als nicht vergleichbar betrachtet wird. Gelöst werden könne das Dilemma Müller zufolge durch die Herstellung von Vergleichbarkeit. So könne sie sich beispielsweise eine Öffnung des DFB-Pokals für Frauenteams vorstellen. Wenn Amateurteams gegen die Profis spielen könnten, dann auch Frauen.

Antje Grabenhorst merkt als Fan im Weserstadion zwar auch, „wie Männlichkeit gelebt wird“, aber sie fühle sich kaum diskriminiert. Werder-Fanprojekt-Mitarbeiter Manfred Rutkowski macht das an der steigenden Zahl der Frauen auf den Rängen fest. Zwar seien sie immer noch in der Minderheit, aber in den vergangenen zehn Jahren habe sich das Bild verändert. Frauen im Stadion sind laut Rutkowski in Bremen keine „Exoten“ mehr, sondern werden langsam zur Normalität. Soziologin Sabine Hark hat gegensätzliche Erfahrungen gemacht. Wenn sie allein in eine Bar zum Fußball schauen gehe, dann sei das für die anwesenden Männer meist ungewöhnlich. Vielmehr bedeute der Fußball für viele „eine der letzten Bastionen der Männlichkeit“, so Hark. Kristin Kielon