SPORTWETTEN: DER MARKT IST BEREITS LIBERALISIERT : Gewinn, nicht Heimat
Bis 2008 haben die Gesetzgeber nun Zeit, den Markt für Sportwetten neu zu ordnen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Bis dahin muss entschieden werden, ob auch die privaten Anbieter künftig Geld für soziale Zwecke ausschütten müssen, um Chancengleichheit mit den staatlichen Anbietern herzustellen. Die Sportverbände, die auf Zuwendungen aus Lotto- und Oddset-Geldern angewiesen sind, sorgen sich um die Einnahmen aus dem Spiel- und Wettgeschäft. Doch überzeugend ist das nicht: Nur zehn Prozent der Sportfördermittel aus den Spieleinnahmen des Staates kommen aus dem Oddset-Topf.
Die Verbände setzen sich so stark für das Staatsmonopol ein, weil sie noch mehr vom Wettkuchen abhaben wollen. Der Markt wächst mit atemberaubender Geschwindigkeit – dennoch erginge es den Lotto-Unternehmen schlecht, wenn sie in großem Stil gegen private Anbieter konkurrieren müssten, die kein Geld für soziale Zwecke ausschütten müssen. Noch hält sich Oddset bis jetzt gar nicht schlecht. Dabei gibt es schon heute die unterschiedlichsten virtuellen Buchmacher, die von den Abgaben befreit sind – dass die ihren Sitz oft im Ausland haben, ist ihren Internetauftritten nicht anzusehen. Tatsächlich ist der Wettmarkt also schon zu einem Gutteil liberalisiert.
Die Sportverbände können ihr Lamento noch aus einem anderen Grund einstellen: Sie profitieren auch indirekt von der wachsenden Wettlust der Deutschen. Denn wer wettet, baut eine enge Bindung zum Sport auf. Zugleich aber kann er die engen Grenzen der Anhängerschaft zu seinem altgewohnten Verein verlassen. Aus materiellem Interesse wird er der Mannschaft die Daumen drücken, deren Qualität er höher einschätzt. Internet-Fähigkeit gehört unbedingt dazu, wenn in europäischen Wettbewerben oder im Pokal auch auf Spiele gegen eher unbekannte Vereine gewettet werden soll. Orientierung am Gewinn statt an der Heimat – damit entwickelt er sich zum freien Sportfan in neoliberalen Zeiten. Und dass die neuen Chancen sofort missbraucht werden, gehört dazu. ANDREAS RÜTTENAUER