: „Kaderbildung überlasse ich anderen“
Theoriefest und für alle Hedonismen offen: „De:Bug“ feiert ihre hundertste Ausgabe. Ein Gespräch über Leben und Arbeit, Zukunftsclaims und intelligenten Konsum mit Sascha Kösch, der die Musikzeitschrift mitgegründet hat
Was 1997 mit der redaktionellen Restmenge des Technomagazins Frontpage unter dem Aufgebot von Bausparverträgen und jeder Menge Eigenblut in der Wohnung von Sascha Kösch aka DJ Bleed in Berlin begann, wurde zur Erfolgsstory. Das erste Heft über „elektronische Lebensaspekte“ im kantigen Zeitungsformat brachte noch einen Beitrag zur Geschichte des Videospiels und war umsonst. Später wurde es dann kostenpflichtig, schließlich sogar geheftet wie ein ordentliches Magazin. Mit inspirierten, theoriefesten Texten zu Techno, House, Drum ’n’ Bass, zu Geräten, Software und allem rund ums Internet wurde De:Bug zum Inbegriff für „selbstbeherrschtes“ Schreiben über elektronische Musik und andere wichtige Dinge aus Strom und Daten, von denen wir noch gar nichts oder viel zu wenig wussten. Kösch wurde mit rund 1.500 Musikreviews pro Jahr zu einem der einflussreichsten Soundkritiker im Land.
taz: Alle wichtigen Musikmagazine haben etwas zu feiern zur Zeit. Ihr die 100. Ausgabe, die „Spex“ 25 Jahre, und die „Groove“ gibt’s auch bald zum 100. Mal. Gratuliert ihr euch gegenseitig?
Sascha Kösch: Bestimmt, ja ja. Wenn man sich mal sieht oder so.
Die „Spex“ wirbt in ihrer Jubiläumsausgabe mit dem Motto „taste differs – quality not“. Ließe sich das auch auf „De:Bug“ übertragen?
Bin ich mir nicht so sicher. Sich selber so ein Qualitätsetikett anzuhängen finde ich ein bisschen affig. Unser neuer Claim ist besser: „Zukunft ist das neue Ding“.
Was hat sich in neun Jahren „De:Bug“ getan – bei der Arbeit am Heft, an den Inhalten, in Sachen Selbstbeherrschung?
Wir sind professioneller geworden mit der Zeit, streamliniger. Auch einfacher. Die Texte sind nicht mehr so liebhabermäßig, man muss sich nicht mehr so reinknien, um sie zu verstehen. Das war ein langer Prozess, an dem wir immer noch arbeiten. Die Freude an langen, obskurantistischen Sätzen ist ja nicht jedermanns Sache! Als wir damals anfingen, war meine Wohnung das Büro. Leben und Arbeiten war viel weniger getrennt als jetzt. Heute kann ich mir über meine Arbeit Gedanken machen, ohne dass es gleich persönlich wird. Aber dass man hier sein Ding macht, dann nach Hause geht und gleich wieder alles vergessen hat, so ist das bei uns immer noch nicht. Dafür gibt es immer noch zu viele Diskussionen.
Ist euch auf eurem Weg auch etwas verloren gegangen?
(sehr wehmütig) Das Zeitungsformat. Aber wir sind eben in der Planung durch das Magazinformat stabiler geworden: Wir müssen da, wo wir Geld verdienen, weniger Überzeugungsarbeit leisten – bei Anzeigenkunden.
Nehmen es eure Leser einfach hin, dass sie jetzt in ihrem Fanzine auf Coca-Cola- und Sony-Anzeigen starren müssen?
Natürlich ist das den Motzern aufgestoßen. Ich glaube, die meisten denken aber: Oh, jetzt schalten da Nike und Coca-Cola, wie gut, dass ich so ein intelligenter Konsument bin. Werbung ist Werbung. Wir leben nun mal in keiner heilen Welt. Und wir sind ja mit Werbung trotzdem kein ganz unkritisches Blatt. Wer das Heft nicht bloß anguckt, sondern auch liest, der findet so etwas wie einen Leitfaden zur Sicht auf Kommerzdinge. Wir müssen aber aufpassen, dass sich unser Schwerpunkt nicht zu sehr vom Hedonistenblatt hin zur Politik verlagert. Kadermäßig unterwegs zu sein und fünf Stunden über ein Thema zu diskutieren, das überlasse ich gern anderen.
Was treibt euch an, die „De:Bug“ weiterzumachen?
Nicht so die große Idee. Eher das Kleine-Anstöße-Geben. Oder einfach auch nur, dass man manchmal einfach über Musik reden will.
INTERVIEW: SASCHA JOSUWEIT
„De:Bug“ feiert heute Abend im Club 103 ihre 100. Ausgabe. Mit: Aardvarck, Newworldaquarium, Sven.VT, Bleed, Thaddeus Herrmann u. a.
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