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Archiv-Artikel

Das lange Leben des Blauweiderich

Langblättriger Ehrenpreis Sumpfgreiskraut, Katzenstert, Wiesenknopf: In den Wümme-Wiesen wachsen in Deutschland fast ausgestorbene Pflanzen. Zwei Botanikerinnen der Universität Bremen fanden heraus: Das seltene Kraut ist zäher als gedacht

Manche nennen ihn „Langblättrigren Ehrenpreis“, andere „Katzenstert“, „Katzenminze“ oder „Blauweiderich“. Über die Gründe für die Namensvielfalt darf spekuliert werden, fest steht aber: die blau blühende Staude hat echte Probleme. Denn sie ist oft allein. „Habitatfragmentierung“ heißt das bei Botanikern. Soll heißen: die Populationen kommen nur sehr verstreut und vereinzelt vor. Das führt zu Inzucht und Reproduktionsschwächen – die bei gefährdeten Pflanzenarten existenzbedrohend werden können.

Silke Lehmann hat ihre Diplomarbeit dem vereinsamten Blauweiderich gewidmet. Im Schwemmlandgebiet der Wümme-Wiesen, zwischen Borgfeld und Fischerhude, untersuchte sie die gefährdete Pflanze. Jetzt ist sie verhalten optimistisch. „Es sieht eigentlich ganz gut aus“, meint die Vegetationsökologin zu den Zukunftsaussichten für die blauen Blumen. Die Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung in den Wümme-Wiesen habe offensichtlich erste Erfolge gezeigt, sagt Lehmann. „Normalerweise“, erklärt sie „führt Habitatfragmentierung zu einer Abwärtsspirale“. Die Pflanzen verlieren „Evolutionsfitness“, gehen langfristig ein. Beim Blauweiderich war das anders. „Die Vorkommen haben zugenommen.“

Eine Selbstverständlichkeit ist das mitnichten. „Bei Mini-Populationen bringen Umweltschutzmaßnahmen oft keine Erfolge mehr“,

erklärt Christina Winter von der Universität Bremen. Zwar seien die Schutzmaßnahmen Voraussetzung für eine Stabilisierung der Populationen. Wenn die Populationsgröße jedoch einen kritischen Wert unterschreite, sei die Abwärtsspirale häufig nicht mehr aufzuhalten, so Winter. Die Botanikerin ist spezialisiert auf die fragmentierten Habitate so genannter „Stromtalpflanzen“. „Ein Gattungsbegriff ist das eigentlich nicht“, sagt Winter. „Stromtalpflanzen“ seien Pflanzen mit demselben Verbreitungsmuster – in „Stromtälern“, wie den Wümme-Wiesen eben. Mangel an seltenen Gewächsen mit kuriosen Namen herrscht dort nicht. „Sumpfwolfsmilch“, die „Sumpfblatterbse“, „Sumpfgreiskraut“ oder „Großer Wiesenknopf“ siedeln bevorzugt in den periodisch überschwemmten Flussauen – alle ähnlich gefährdet wie der Blauweiderich.

Nachdem das Gebiet unter Naturschutz gestellt wurde, haben der WWF und der Naturschutzbund NABU die Grundstücke aufgekauft. Landwirtschaft darf dort nurmehr in geringem Maße betrieben werden – zur Schonung der bedrohten Fauna und Flora. Ganz auf die Selbstheilungskäfte der Natur vertrauen mag Winter jedoch auch nicht. Zur Sicherheit hat sie deshalb 1.200 Setzlinge der seltenen Gewächse nachgezüchtet. Diese will sie demnächst als „Wiederaufforstungsprogramm“ auswildern. Christian Jakob