Die Hochkultur entdeckt die WM für sich. Wozu, bleibt unklar : Mitnahme-Effekte
Allmählich wird es schwierig für den Theater- und Museumsbesucher, nicht über eine Fußballveranstaltung zu stolpern. Die Hochkultur hat sich, so noch nicht geschehen, mit dem WM-Jahr dem Fußball an die breite Brust geworfen. Dabei herausgekommen sind Lustbarkeiten unterschiedlichster Art. Manches ist sogar interessant, so wie die „Betrachtungen zum deutsch-niederländischen Fußball-Nationalismus“. Manches abstrus – Shakespeare als Fußballgott oder eine Ausstellung über „Religion in ihrer rundesten Form“ – und manches grottenöde: 90 Minuten über Frauen und Fußball braucht definitiv niemand. Natürlich sind Mitnahmeeffekte in Zeiten, in denen Fußball hippeste Domäne der Kulturwissenschaften ist, wenig erstaunlich. Ergiebiger werden sie dadurch nicht. Wenn mittelalte Intellektuelle, nahezu ausschließlich männlich, seit einigen Jahren Fußballinteresse (durch möglichst wenig Stadionbesuche gestört) in ihre verunsicherte Geisteswissenschaftleridentität einbauen, ist das ihr gutes Recht. Aber warum andere damit behelligen? „Kultur ist eine Möglichkeit, Fußball wahrzunehmen“, schreiben sie in allzu langen Artikeln. Das mag sein. Aber es ist sicherlich nicht die interessanteste. Shakespeare muss sich nicht in ein Trikot zwängen lassen und auch wenn Gottes Hand damals in Mexiko-Stadt eingegriffen haben sollte, ist es einer der Griffe, die das Christentum nicht über Gebühr beschäftigen müsste.