: Mob gegen Moschee
Die Ahmadiyya-Gemeinde will in Pankow eine Moschee bauen. Eine Bürgerversammlung, die den Konflikt entschärfen sollte, ist geplatzt
Schon wenn man an der Haltestelle „Am Wasserturm“ aus der Tram steigt, hört man Pfiffe und Buhrufe. Man könnte meinen, auf dem Sportplatz hinter der Heinersdorfer Grundschule am Wasserturm finde ein Fußballspiel statt. Aber die 1.500 Menschen, die am Donnerstagabend das Schulgelände belagern, sind keine Fußballfans.
„Wir sind das Volk!“, skandieren die erregten Heinersdorfer in Richtung Turnhalle. Sie würden auch gerne drinnen sitzen, aber die Halle ist bereits rappelvoll. Die Bürgerversammlung zu einem geplanten Moscheebau in Pankow mobilisiert die Massen. Die Ahmadiyya-Gemeinde, die in Berlin knapp 200 Mitglieder hat, hat ein Grundstück an der Tiniusstraße gekauft. Dort soll eine Moschee samt Minarett entstehen. Das wollen aber, so scheint es an diesem Abend, die wenigsten Heinersdorfer.
Der Beginn der Veranstaltung verzögert sich. Man will die aufgebrachten Menschen, die draußen bleiben müssen, nicht noch mehr verärgern. Also organisiert man eine Lautsprecheranlage, um den Pausenhof zu beschallen. Es ist ein etwas unheimliches Schauspiel. Kaum jemand ist in der Menge auszumachen, der für die Moschee sein könnte. Die Gegner betonen, sie hätten nichts gegen „diese Leute“. Diese Leute, die Muslime, sollen aber bitte bleiben, wo sie hingehören. Wo das wäre? „Na, Afghanistan, Libanon, was weiß ich.“ Aber nicht Heinersdorf.
Endlich begrüßt der Moderator in der Halle auch die Draußensteher. Er bittet um Entschuldigung für die Verzögerung, was die Masse mit Hohngelächter quittiert. Dann schweigt der Moderator wieder. Dafür meldet sich die Polizei. Der Veranstaltungsleiter sehe sich nicht in der Lage, die notwendige Sicherheit zu garantieren. Die Bürgerversammlung ist vertagt.
Die Heinersdorfer sind empört. „Eine einzige Verarschung ist das!“, brüllt jemand. „Kommt raus da!“, sekundiert ein anderer. Wieder branden „Wir sind das Volk“-Rufe auf. Dann droht die Situation für einen Moment zu eskalieren. Die Vertreter der Ahmadiyya-Gemeinde müssen sich unter Polizeischutz durch die johlende Menge kämpfen. Einige wünschen „Gute Reise“. Ein junger Heißsporn hüpft feixend um die Muslime herum. „Da sind die Drecksschweine“, kreischt er, ehe er von einem Beamten sanft zur Seite geschoben wird.
Die um ihre Diskussion geprellten Heinersdorfer gehen aber noch nicht. In Gruppen stehen sie zusammen und üben sich in Einvernehmen. Sie sind gut unterrichtet, kennen sich mittlerweile mit dem Baurecht ebenso aus wie mit dem Koran. Es gibt viele Gründe, die sie gegen die Moschee anführen. Unter anderem sei auf dem Baugelände früher eine Schweinemast gewesen. Das vertrage sich doch nicht mit dieser Religion.
Am Ende des Abends dann doch noch ein versöhnliches Bild: ein junger Mann von der Ahmadiyya-Gemeinde im Gespräch mit den kritischen Heinersdorfern. Geduldig beantwortet er alle Fragen zur Stellung der Frau, zum Terrorismus, zur Schweinemast. Das Lächeln des jungen Manns wirkt selbst auf erbitterte Gegner einigermaßen versöhnlich. Eine reicht ihm zum Abschied sogar die Hand. Trotz aller Anfeindungen ist der junge Mann noch zu Scherzen aufgelegt: „Vielleicht sollte man öfter einfach so behaupten, hier wird eine Moschee gebaut. Dann beschäftigen sich die Anwohner mit Baurecht und Architektur und lesen im Koran. Das ist ein echtes Bildungsprogramm.“
Torsten Gellner