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Archiv-Artikel

Gorillas evakuiert

AUS PRAG ULRIKE BRAUN

Katastrophenstimmung in Tschechien: Von Südmähren bis Nordböhmen steigen die Flusspegel, fliehen die Menschen. Das Hochwasser droht insgesamt 60 Orte im ganzen Land zu überfluten. Die Regierung beschloss daher eine Hochwasserhilfe in Höhe von 13,5 Millionen Euro. Dramatisch ist die Situation im im Süden der Republik. Aber auch im Norden, an der Elbe, spitzt sich die Lage stündlich zu. Meteorologen warnen, durch den zu erwartenden Dauerregen stehe das Schlimmste noch bevor.

In der südmährischen Region Znojmo kann es allerdings prekärer kaum sein. So gewaltig ist dort der Strom der Thaya angeschwollen, dass er den Vranov-Staudamm überflutet hat. Bis zu 10.000 Menschen hat das Wasser hier schon aus ihren Häusern vertrieben. Weiteren 20.000 droht ein ähnliches Schicksal. War die grenznahe kleine Gemeinde Jeviov noch bis gestern von Feldern umgeben, liegt sie jetzt an einem 500 Hektar großen See, dessen Pegel immer weiter ansteigt. Der Kreis Südmähren hat offiziell den Notstand ausgerufen. „Alles deutet darauf hin, dass die Thaya weiter tagelang ansteigen wird“, meint der südmährische Kreishauptmann. Fließt die Thaya normalerweise mit einer Geschwindigkeit von 12 Metern pro Sekunde eher gemächlich aus dem Vranov-Staudamm ab, donnert sie jetzt mit 350 Metern pro Sekunde flussabwärts.

Die beginnende Schneeschmelze und Dauerregen haben die Flüsse in ganz Tschechien anschwellen lassen. Die Flut hat bislang mindestens vier Opfer gefordert.

In Prag hofft man weiter, dass sich das katastrophale Jahrhunderthochwasser vom Sommer 2002 nicht wiederholen wird. Immerhin schützt sich die Moldaumetropole seither besser. Zwar sind die Moldauinseln größtenteils überschwemmt, doch dank Kaskaden, Hochwasserbarrikaden und dem Einsatz von knapp 500 Feuerwehrleuten konnte ein Ansteigen der Pegel verhindert werden. Im Prager Zoo, der in unmittelbarer Nähe der Moldau liegt, wurden vorsichtshalber die Gorillas evakuiert. Der Zooleitung ist das Jahrhunderthochwasser noch allzu schmerzlich in Erinnerung. Damals reagierte man zu spät auf das steigende Wasser, viele Tiere konnten nicht mehr gerettet werden.

Aus der Erfahrung von 2002 hat auch die Chemiefabrik Spolana in Neratovice an der Elbe gelernt. Die Produktion wurde gestoppt, um zu verhindern, dass ähnlich wie vor vier Jahren toxische Chemikalien in die Elbe gelangen.

Die nordböhmische Stadt Ústí ist zurzeit von der Außenwelt abgeschnitten, die großen Zufahrtsstraßen sind überflutet. Rund 300 Bewohner mussten evakuiert werden, die vom Hochwasser am meisten betroffenen Teile der Stadt sind seit Freitag ohne Strom. Erwartet wird, dass die Elbe in Ústí am Samstag die Achteinhalb-Meter-Marke überschreiten wird.

Bis zur Entwarnung dürften noch einige Tage vergehen. Die Meteorologen rechnen bis Samstag für ganz Tschechien mit reichlich Niederschlag. Zudem liegen auf den Mittelgebirgen, die den böhmisch-mährischen Talkessel umgeben, noch einige Meter Schnee. Die große Schneeschmelze steht also noch bevor.