: „Das Revier stürzt sich selbst ins Unglück“
Thomas Nückel, FDP-Chef im Ruhrparlament, über merkwürdige Finanzierungsmodelle und drohende Pleiten
taz: Hilft der Bau der Müllverbrennungsanlage RZR II dem Ruhrgebiet?
Thomas Nückel: Nein, weil sich der Regionalverband Ruhr und seine Tochterfirma AGR übernehmen. Der Bauherr ist ein Koloss, der auf tönernen Füssen steht.
Wieso?
Es wird versucht, mit neuen Schnitzern alte Schnitzer rauszuschneiden. Der Führungszirkel des Regionalverbandes Ruhr will über merkwürdige Finanzierungsmodelle einen Müllofen bauen, um die eigene Tochter AGR, die in der Krise steckt, wieder gesunden zu lassen. Das ist eine ganz schwierige Geschichte.
Sie glauben also nicht an das Finanzierungskonzept der AGR?
Nein, zum Beispiel werden unsere Fragen zur Bilanz der AGR nicht beantwortet. Es heißt, der Rechercheaufwand sei zu hoch. Aber wenn für so einfache Fragen, ob eine Firma überschuldet ist, recherchiert werden muss, zeigt das, in welcher Lage sich die Firma befindet.
Wo sehen Sie die Probleme?
Die Firma hat nur einen schmalen Liquiditätsgrad. Wenn nur irgendetwas beim Bau des RZR II schief geht, oder der Bau nur ein wenig teurer als geplant wird, geht der AGR die Luft aus. Frisches Geld ist dann nur schwer zu bekommen. Die Pleite droht.
Haben Sie Erwartungen an die Aufsichtsbehörden? Immerhin kontrolliert ihr Parteifreund Ingo Wolf als Innenminister das Finanzgebaren des Regionalverbandes.
Ich erwarte, dass die Behörden kritisch nachschauen. Auch wenn das aufgrund der rechtlichen Lage schwierig ist. Der Regionalverband hat eine gewisse Freiheit, sich selbst ins Unglück zu stürzen.
Haben Sie eine Alternative für die AGR?
Es heißt, ohne neue Müllverbrennungsanlage wäre die Firma dem Untergang geweiht. Ich glaube nicht, dass die AGR ohne RZR II in die Insolvenz stolpert. Das ist das Problem, wenn man uns nicht alle Informationen gibt. Es gibt sicher andere Möglichkeiten der Rettung. Aber wenn die AGR ohne RZR II zahlungsunfähig würde, dürfte sie erst recht nicht solch ein Projekt realisieren. Denn wenn dann etwas schief geht, wird der Schaden für das Ruhrgebiet erst so richtig groß.
INTERVIEW: DAVID SCHRAVEN