: Der vorbildhafte Andreas Schmidt
Schon als Jugendlicher spielte Andreas Schmidt für Hertha BSC. Mit der Amateurelf zog er ins Pokalfinale, mit den Profis bis in die Champions League. Heute darf er im Erstligateam zwar nur noch gelegentlich aushelfen, dem Verein bleibt er dennoch treu
VON JOHANNES KOPP
Andreas Schmidt muss schon Außergewöhnliches leisten, um von den Medien beachtet zu werden. Und danach heißt es oft: Wenn einer wie er herausragt, können die anderen nicht gut gespielt haben. So war es auch Ende Februar, als Schmidt nach knapp zwei Jahren Pause wieder bei den Profis von Hertha BSC aushalf, im wichtigen Uefa-Cup-Spiel gegen Rapid Bukarest in Rumänien. Hertha schied aus (0:2), aber Schmidt gehörte zu den besten Akteuren. Für viele, wie etwa die Berliner Zeitung, war dies ein Sinnbild für die Krise des Bundesligisten: Das schwächelnde Profiteam muss von einem Spieler der Hertha-Amateure gestützt werden.
Dabei ist Schmidt nicht irgendwer. Er begleitete Herthas Aufstieg von Anfang an. Zu Beginn seiner Karriere stand er bereits in der Amateurelf, der 1993 sensationell der Einzug ins DFB-Pokalfinale gelang. Danach rückte er in den Profikader auf und spielte in einer kümmerlichen Hertha-Elf, die noch im März 1996 in Berlin ihre Zweitligapartie gegen den SV Meppen mit 1:4 verlor. Aus diesem Team war Schmidt der einzige, der auch dreieinhalb Jahre später in Italien beim Champions-League-Spiel gegen den AC Mailand (1:1) auflief. Dort schaltete er den gegnerischen Stürmerstar Andriy Shevchenko aus. Trotz millionenschwerer Neuzugänge konnte sich Schmidt bei Hertha BSC immer wieder behaupten – von der zweiten Liga bis in die europäische Königsklasse. Nur gesprochen wurde über ihn selten.
Sein jetziger Amateurcoach Karsten Heine, der ihn schon als A-Jugendlicher im Verein trainierte, scheint lange auf die Gelegenheit gewartet zu haben, einmal erzählen zu können, was für ein außergewöhnlicher Spieler Andreas Schmidt ist. Aus dem Stegreif hält er eine Lobrede: „Schmidt ist der Führungsspieler meiner Mannschaft. Er ist ein Muster an Zuverlässigkeit und hat einen vorbildhaften Charakter.“ Schmidt sei verantwortlich dafür, dass in seinem jungen Team Disziplin herrsche, sagt Heine.
Schmidt, ein Spieler, der Führungsaufgaben übernimmt? Das überrascht. Denn im Profiteam führte er nur die Mannschaftskasse. Ansonsten galt er als getreuer Mitläufer, der effektiv, aber unscheinbar agierte. Schmidt selbst bezeichnet sich als einen eher „stillen Typen“. Zudem gelten die aufstrebenden Talente bei Hertha, von denen bereits einigen der Sprung vom Regionalligateam in den Profikader gelang, als schwer handhabbare Klientel. So beklagte sich Nico Kovac schon in der Vorrunde über den fehlenden Respekt der Jungen, und die Vereinsführung führte vor wenigen Wochen ein von einer Sozialpädagogin betreutes Persönlichkeitstraining ein. Montags und freitags, für Jungprofis verpflichtend.
Schmidt erklärt zu seiner Stellung im Team: „Ich muss weder laut werden noch wild mit den Armen fuchteln.“ Vom Team werde er aufgrund seiner Leistungen respektiert. Er bezweifelt, dass ein Persönlichkeitstraining mit den Jungprofis etwas nütze. Diese Infragestellung einer Vereinsmaßnahme ist schon die äußerste Form von Kritik, die man sich bei Schmidt vorstellen kann.
„Schmidt ist Herthaner“, sagt Karsten Heine. Er ist es in dem Sinne, wie man etwa andere als treue Christdemokraten bezeichnen kann. Gegen die Linie der Vereinsführung hört man von ihm kein böses Wort. Selbst über das unschöne und frühe Ende seiner Profikarriere mit nur 31 Jahren spricht er erstaunlich unaufgeregt. Trainer Falko Götz eröffnete ihm nach dem zweiten Spieltag der letzten Saison, dass er nicht mehr mit ihm plant. Über den frühen Zeitpunkt der Entscheidung habe er sich damals schon gewundert, räumt Schmidt ein. Schließlich hatte er die Spielzeit zuvor noch mitgeholfen, den Abstieg zu vermeiden. Andererseits sei das sehr ehrlich von Götz gewesen.
In der Folgezeit kam Schmidt öfters in der Amateurelf zum Einsatz und freundete sich mit seiner dortigen Chef-Rolle an. Vor dieser Saison schlug der 32-Jährige gar ein Angebot des Zweitligisten Eintracht Braunschweig aus und unterschrieb bei Hertha einen Amateurvertrag bis 2008. Eine solche Loyalität zum Verein, ein solches Schmidteinander, reicht über die Vorstellungskraft fast aller Spieler hinaus. Das dürfte auch den Jungen von Hertha nur schwer zu vermitteln sein.