In Gaza findet ein neuer Machtkampf statt

Fatah lehnt die Forderung der neuen Hamas-Regierung nach Entwaffnung ab. Schießereien in den Straßen

JERUSALEM taz ■ Kaum eine Woche nach der Vereidigung der neuen palästinensischen Regierung muss die Hamas feststellen, dass es nicht so einfach ist, für Recht und Ordnung zu sorgen. Im Westjordanland verübten die Fatah-nahen Al-Aksa-Brigaden einen Anschlag auf jüdische Siedler und töteten vier Menschen, und im Gaza-Streifen bekämpften sich Anhänger verschiedener bewaffneter Gruppen auf offener Straße. Dabei wurden drei Palästinenser erschossen.

Im Gaza-Streifen haben sich die Vorzeichen umgekehrt. Bislang drängte die ehemalige Fatah-Regierung und ihr Sicherheitsapparat auf eine Entwaffnung der verschiedenen Gruppen oder zumindest auf ein Ende der öffentlichen Zurschaustellung von Waffen. Jetzt sind es die Mitglieder des Präventiven Sicherheitsdienstes sowie des allgemeinen Nachrichtendienstes selbst, die sich weigern, ihre Waffen niederzulegen. Hintergrund ist der Machtkampf zwischen den beiden führenden Bewegungen Fatah und Hamas. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas übertrug der neuen Hamas-Regierung bereits offiziell die Kontrolle über mehrere Organe des Sicherheitsapparats. Problematischer dürften personelle Veränderungen an der Spitze werden.

Auslöser der neuen Anspannung zwischen der weltlichen Fatah und der islamistischen Hamas war die Explosion des Privatfahrzeugs von Abu Jussuf al-Quka, Anführer des so genannten Volksaufstandskommitees. Das „Kommitee“ ist eine Art Dachverband der Widerstandsgruppen und verantwortlich für die wiederholt aus dem Gaza-Streifen lancierten Raketenangriffe auf Israel. Die israelische Regierung streitet ab, etwas mit al-Qukas Ermordung zu tun zu haben. Nachdem das Gerücht aufkam, dass Mitglieder des palästinensischen Sicherheitsapparats mit der israelischen Armee kollaborierten, um die Hinrichtung zu ermöglichen, kündigte der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanije die Bildung einer Untersuchungskommission zu den Hintergründen der Explosion an. Als mögliche Hintermänner wurden Mohammad Dahlan, Exchef des Präventiven Sicherheitsdienstes im Gaza-Streifen, sowie Samir Mascharawi von der gleichen Behörde genannt. Die Gerüchte waren auch Auslöser der militanten Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten des Volksaufstandskommitees und der Hamas auf der einen und Anhänger der Fatah auf der anderen Seite.

Anstatt der Aufforderung Hanijas nachzukommen, die Waffen zu Hause zu lassen, ließ sich Maschrawi am Wochenende von hunderten seiner Leute, die demonstrativ in die Luft schossen, durch die Straßen von Gaza begleiten. „Die Fatah wird nicht eher ruhen, bis der Sprecher des Kommitees zur Verantwortung gezogen wird“, kündigte Maschrawi an. Die neue Führung der Hamas solle sich „zuerst um sich selbst kümmern“, bevor sie die Fatah dazu auffordere, ihre Waffen wegzupacken.

SUSANNE KNAUL