WAHLKAMPF, TITANIC, FERNSEHEN : Die ARD ist unser aller Regenrinne
Was soll ich euch sagen, ich bin noch immer ganz high! Benommen von dieser Wucht! Diesem Esprit. Diesem Rums, der durch die Reihen ging und mich vor dem Fernseher erfasste. Oder war es ein Bums? Egal! Noch immer finde ich an den unmöglichsten Stellen Silberflitter.
Im Feldbett oder auf dem Dixi-Klo, kaum dass ich Helm oder Hose lüfte, rieselt wieder eines dieser silbernen Dinger herab. Flocken der Frohlockung, die Jürgen Rüttgers zur Eröffnung seines Wahlkampfs herabtanzen ließ. Getreu dem Motto „von Obama lernen“, glich die Sause einer amerikanischen Wahlkampfinszenierung. Wahrscheinlich dachten die Rüttgers-Strategen, das färbt ab. Aber der Kölner Jung bleibt ein blasser Bube. Flitter hin, Flitter her. Da hilft es nur, den Knopf für die Farbeinstellung des Fernsehbilds auf volle Pulle zu stellen.
Wer sich dieser Tage auch selbst feiert, weil es kein anderer tut, ist die ARD. Die wird 60. Und sieht auch so aus. Und fühlt sich auch so an. Und riecht auch so. Vor allem samstags. Und am Dienstag. Die ARD ist auch so etwas, das der Bürger bezahlt, ohne Mitsprache bei der Gestaltung zu haben. Obwohl sie ja quasi seins ist. Ein unverständliches Konstrukt.
Jeder Depp, der eine Einzimmereigentumswohnung hat, rennt zur Eigentümerversammlung und will bei der Frage mitreden, ob die Regenrinnen erneuert werden soll. Wenn es aber um sein Fernsehprogramm geht, lässt er sich von Langweilern zu Tode langweilen. Wo ist hier die Eigentümerversammlung? Wo sind die Engagierten, die den Sender stürmen und die Programmmacher zum Fenster rausschmeißen?
Achtung, Themenwechsel: Journalistenschülern wird früh beigebracht, dass es darum geht, Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Mit Journalismus hat die Frankfurter Schülerzeitschrift Titanic wenig zu tun, umso mehr mit Bildern. Ihr aktuelles Titelbild ist so gelungen, dass es für rund 130 Beschwerden beim Presserat reichte. Und mehrere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Ich weiß nicht, was die Leute darauf sehen. Ich sehe einen Kirchenmann, der von hinten gezeigt wird, vor seinen Augen hängt Jesus am Kreuz. Ich weiß nicht, was daran „religiöse Gefühle verletzt“. Ich sehe keine sexuellen Handlungen. Auch nicht die, die Bill Clinton gemeint hat, als er sagte, es wäre nicht zu sexuellem Kontakt mit Monica Levinsky gekommen. Aber ich bin auch nicht katholisch. Wahrscheinlich fehlt mir hier die Kenntnis der Rituale.
Sich an das zu hängen, was gerade in aller Munde ist, darin ist das ZDF vortrefflich. Entsprechend passt es, ein paar Filme über den Papst zu zeigen, der dieser Tage sein fünftes Dienstjubiläum feiert. Und wer gemeint hat, das ZDF sei das Katasteramt unter den Sendern, ausgestattet mit dem Sexappeal eines Rechenschiebers, irrt. Das ZDF vom Lerchenberg ist in Wahrheit der Berghain unter den Fernsehanstalten. Vorn, wenn es um Ausschweifung und Exzess geht. Entsprechend heißt die Ratze-Sause dann auch „Die lange Nacht des Papstes“. Das klänge so spannend wie „Der Sandmann kommt“, bekäme es nicht vor dem Hintergrund katholischer Freizeitgestaltung einen ganz neuen Drive. Ich sage nur St. Blasien. Statt den Papst beim Zähneputzen zu zeigen, bekommen wir jetzt vielleicht zu sehen, wie er Priestern den Popo versohlt, die an kleinen Jungs rumgefummelt haben. Oder wie er sich selbst mit dem Dornenpinsel auf die Finger haut, wenn die partout nicht oberhalb der Bettdecke bleiben wollen. Man darf gespannt sein. Schließlich ist eine Nacht lang. Mit der XXL-Tüte Popcorn im Anschlag zurück nach Berlin!