Die CDU sieht ein rotes Gespenst

RAED SALEH UND ROT-ROT-GRÜN

Endlich hat es jemand aus der SPD ausgesprochen: Natürlich sei Rot-Rot-Grün eine denkbare Alternative, wenn es für Rot-Grün nicht reicht, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Donnerstag dem RBB. Das ist gewagt: Ein Sozi, der sich kurz vor der Wahl so weit aus dem Fenster lehnt, muss damit rechnen, rausgeschubst zu werden. Das versuchte postwendend der Berliner CDU-Chefschubser Kai Wegner: „Der Fraktionsvorsitzende der Berliner SPD lässt die Katze aus dem Sack.“ Nun müsse jeder wissen (was er als guter Christ und Antikommunist natürlich immer schon wusste), dass „jede Stimme für die SPD eine für Rot-Rot-Grün ist“.

Vor genau so einer perfiden Art des Wählerbangemachens („Wer die wählt, wählt den Kommunismus, also den Teufel, also die Hölle!“) fürchtet sich die SPD seit Erfindung der Wahlurne. Es hat schon seinen Grund, dass der Kanzlerkandidat und seine Mannen das Auf-keinen-Fall-mit-der-Linkspartei-Mantra täglich rauf und runter beten. Sie wissen nicht nur, dass die CDU jedes öffentliche Nachdenken über eine eventuelle Zusammenarbeit mit den ehemaligen Kommunisten sofort gegen sie verwenden wird. Sie wissen auch, was die Umfragen sagen: dass eine Mehrheit der Deutschen – warum auch immer – für eine Große Koalition ist und eine noch größere Mehrheit gegen Rot-Rot-Grün.

Zu diesem Zeitpunkt aber, zehn Tage vor der Wahl, kam der Berliner CDU das Geplapper von Saleh gewiss besonders gelegen: nämlich just an dem Tag, an dem die neueste Umfrage ein überraschendes Wiederaufleben der totgeglaubten alten Tante prophezeite. Laut infratest dimap liegt die SPD in Berlin fast gleich auf mit der CDU (26 zu 27 Prozent). Und sie könnte womöglich sogar 3 der 12 Direktmandate gewinnen, was ihr vor Monatsfrist auch niemand zugetraut hätte. Bei so viel Sozen-Euphorie kann nur noch eine Rote-Socken-Kampagne helfen.

Pech für General Wegner, dass sich außer ihm keiner so recht aufregt. Das liegt zum einen daran, dass Saleh nicht Peer Steinbrücks Chefberater ist. Zudem glaubt (laut Umfragen) ohnehin eine Mehrheit der Deutschen, dass die SPD mit den Linken sprechen wird, wenn Rot-Rot-Grün rechnerisch eine Option ist. Drittens wissen auch die SPD-Strategen, dass man die „rechten“ Wähler zwar nicht mit dem linken Gespenst erschrecken darf, aber dass man auch den „linken“ Wählern etwas bieten sollte. Letzteres hat Saleh jetzt geschickt besorgt – ohne etwas zu versprechen. Und so kann sich, wer mag, an eine vage Hoffnung klammern. SUSANNE MEMARNIA