: Justizskandal belastet Rüttgers’ Wahlkampf
NRW Nach dem Tod einer Gefängnisbesucherin gilt Justizministerin Müller-Piepenkötter erneut als Rücktrittskandidatin – doch auch die restlichen Minister des Kabinetts wirken blass oder quasi entmachtet
BOCHUM taz | Nordrhein-Westfalens CDU-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter hat jede Verantwortung für die Tötung einer 46-jährigen Besucherin der Justizvollzugsanstalt Remscheid zurückgewiesen.
Vor dem Rechtsausschuss des Landtages musste die ehemalige Richterin aber einräumen, dass es dem Täter – einem Häftling – gelungen sei, zwei Messer, einen Aktengurt und einen Schraubenschlüssel in eine Langzeitbesucherzelle des Gefängnisses zu bringen. Zwar sei in solchen Fällen eine Durchsuchung des Gefangenen vorgeschrieben, doch sei diese „nach gegenwärtigem Kenntnisstand unterblieben“, bedauerte Müller-Piepenkötter.
Die Besucherin war am Sonntag von ihrem Lebensgefährten, einem 50-jährigen Häftling, erwürgt worden. Der Mann verbüßt in Remscheid wegen Mordes und Vergewaltigung eine Haftstrafe. Spekulationen, nach denen er vor dem Besuch von einer Beziehungskrise berichtet haben soll, entbehrten jeder Grundlage, sagte die Ministerin.
Dennoch könnte der Justizskandal zu einer Belastung für den Landtagswahlkampf des nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers werden. Müller-Piepenkötter gilt bereits seit dem Foltermord von Siegburg, bei dem ein 20-Jähriger Häftling von Mitgefangenen getötet wurde, als Rücktrittskandidatin. In Düsseldorf gilt als sicher, dass die Ministerin, sollte es ein zweiten Kabinett Rüttgers geben, diesem nicht mehr angehören wird.
Allerdings agieren auch andere Mitglieder des Kabinetts Rüttgers oft mehr als unglücklich. So ist CDU-Schulministerin Barbara Sommer – als ehemalige Schulamtsdirektorin im Kreis Gütersloh eine Seiteneinsteigerin wie Müller-Piepenkötter – im Landtag isoliert: Selbst die FDP verabschiedet sich vom dreigliedrigen Schulsystem. Stattdessen sollen regionale Mittelschulen eingeführt werden, zu denen Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengelegt werden können.
Entmachtet wirkt auch die dritte Frau an Rüttgers’ Kabinettstisch, Wirtschafts- und Energieministerin Christa Thoben. Bei Pressekonferenzen zum Thema Opel etwa lässt der Regierungschef seine Parteifreundin kaum noch zu Wort kommen.
Wenig Glück hat Rüttgers auch mit den Ministern von der FDP. Von Innenminister Ingo Wolf ist wenig zu hören – die größte Aufmerksamkeit erregte der einstige Kreisdirektor von Euskirchen, als er entgegen der bürgerrechtlichen Tradition der FDP die Antiterrordatei von Exbundesinnenminister Wolfgang Schäuble unterstützte. Gegen die Datensammlung klagten Liberale wie Gerhart Baum – und gewannen.
Regierungschef Rüttgers aber sieht Rücktritte als ein Zeichen von Schwäche – und hält an seinen Ministern fest: CDU-Vize Oliver Wittke etwa verschwand erst, als der Verkehrsminister mit 109 Stundenkilometern geblitzt worden war – erlaubt waren 50.
Doch auch Wittkes Nachfolger Lutz Lienenkämper ist keine wirkliche Unterstützung: Ein erster, groß angekündigter „Bahngipfel“ Lienenkämpers brachte keine konkreten Ergebnisse.
ANDREAS WYPUTTA