Rap me Amadeus

Was geht ab, schöne Göttin? Mit „Hip H’Opera Così fan tutti“ versucht die Komische Oper, der Klassik mehr Streetcredibility zu geben. Star der Mozart-meets-Hiphop-Aufführung ist die Berliner youthcrew

VON KATHRIN SCHRADER

„Diese Energie! Die brauchen Platz!“, flüstert die Bühnenbildnerin Mirella Weingarten auf einer der ersten Proben zur „Hip H’Opera Così fan tutti“ erschrocken. Vierzig zappelige Berliner Mädchen und Jungen zwischen 16 und 24 Jahren hopsen über die Probebühne, liegen kämpfend auf dem Boden. Einem behäbigen Opernchor würde die Plattenbau-Kulisse wohl standhalten. Nicht aber der youthcrew.

Mirella Weingarten hat den Problemkiez zur Premiere entsprechend stabiler bauen lassen, und sie sorgt überhaupt für mehr Freiraum im Bild der Banlieu. Denn die youthcrew spielt schließlich die Hauptrolle in der „Hip H’Opera“. Die Kreuzung aus Hiphop und Klassik ist vor allem ein gemeinsames, experimentelles Arbeitsprojekt: „Ein neues Genre“, meint Regisseur Markus Kosuch damit sogar gefunden zu haben. „Wir haben die Musik angetastet.“ Die Choreografie für Beats und Klassik haben die Mädchen und Jungen unter Leitung der Tanzpädagogin Nadja Raszewski selbst erarbeitet. Sie haben den Inhalt der Oper diskutiert, mit ihren eigenen Erfahrungen verglichen und Letztere in Bewegung transformiert.

„Schöne Göttin, hör mein Flehen. Schenk mir einen Blick der Liebe“, rappen Bobmalo und Flowinimmo in ihren Rollen als Verführer der beiden Mädchen, die in der Mozart-Oper „Così fan tutte“ in einer Art Tierversuch auf Treue getestet werden. Die Mädchen antworten den Jungs in Basecap und Wollmütze mit geschmeidigen Rezitativen.

Nicht die unterschiedliche Stimmgewalt der Paare ist das Problem – die lässt sich mit der Technik des Hauses ausgleichen. Für Bobmalo war es vielmehr „diese Emotionalität“, die sich „uncool anfühlte“: „Wir mussten uns ziemlich öffnen. Rap ist etwas anderes. Rap macht dich auf der Bühne unangreifbar.“

Als Erfinder der „Hip H’Opera“ ging es Markus Kosuch um eine Begegnung zwischen zwei Musiktraditionen. Die Spannung lag für ihn darin, wie Menschen mit unterschiedlichen künstlerischen Erfahrungen zusammenfinden, um eine alte Geschichte neu zu erzählen. Das beginnt schon mit dem Titel: Aus „Così fan tutte“ – so machen es alle Frauen –, wird in der jetzigen Version „Così fan tutti“ – so machen es alle. Natürlich basiert die „Hip H’Opera“ auf der Musik von Mozart und dem Libretto von da Ponte. Doch wann Beats die Klassik schneiden, inwieweit sich die beiden Musikstile anpassen und miteinander verschmelzen lassen, wie die youthcrew den Stoff der Oper interpretiert, sodass der barocke Text als Rap von der Bühne kommt, wann DJ craft im Orchestergraben Mozart scratcht und wann das Jugendorchester des Musikgymnasiums „Carl Philipp Emanuel Bach“ einsetzt – das alles waren Fragen, die im Laufe der Proben, während des Arbeitsprozesses, entschieden wurden.

Nadja Raszewski, Trainerin der youthcrew und Regisseurin des Projekts, ist von allen Beteiligten bei diesem Crossover am beweglichsten. Die künstlerische Leiterin der „Tanztangente“ ist mit dem klassischen Ballett vertraut, unterrichtet Modern Dance und kennt den Hiphop. „Es sind nicht unbedingt die Inhalte des Rap, die sich schwer in die Oper integrieren lassen, es ist mehr die Art und Weise, wie etwas erzählt wird. In der Oper kann der Satz ‚Ich liebe dich‘ locker zwanzig Minuten dauern. In dieser Zeit hat ein Rapper dir sein ganzes Leben erzählt.“ Logisch: Der Rap beschleunigt die Oper. Doch bleibt Mozart letztendlich unangefochtener Sieger im Wettlauf der Kulturen. „Nicht die Oper kommt zu uns“, sagt Bobmalo. „Sondern wir Rapper sind zu Gast an der Oper.“

Sieben Jahren lang trug Markus Kosuch die Idee zur „Hip H’Opera“ im Gepäck. Damals hatte er an der Jungen Oper Stuttgart, P.A.G.S., eine Opern-Inszenierung mit Hiphop- und Streetdance-Elementen auf die Bühne gebracht. In Berlin traf er experimentelle, dazu noch aufgeschlossene Rapper wie Bobmalo oder Flowinimmo und fand an der Komischen Oper eine Verbündete in Anne-Kathrin Ostrop, der Musiktheaterpädagogin des Hauses.

Beide arbeiten nach den Methoden des ISIM, eines von ihnen gegründeten Instituts für szenische Interpretation von Musik und Tanz. ISIM holt Kinder und Jugendliche in die Oper hinein. Sie selbst sind aufgefordert, in die Rollen zu schlüpfen und sie mit eigenen Emotionen zu füllen. „Jugendliche sind das Opernpublikum von Heute, nicht von Morgen“, wiederholt Kosuch wie ein Mantra. Dieser Satz ist die Basis seiner Arbeit, letztendlich auch der Arbeit der youthcrew, die sich tief in den Opernstoff einarbeitete. Die meisten der Mädchen und Jungen sind Laien. Einige haben noch niemals vorher ein Opernhaus betreten. „Wir sind ganz unterschiedlich“, sagt die achtzehnjährige Josefine. „In der youthcrew treffen Ballettfreaks auf Hiphopper aus Kreuzberg. Auf keinem Schulhof dieser Stadt kann man so eine Toleranz erleben wie hier.“ Schon tönt die Komische Oper von einer „neuen Dimension der Jugendkulturarbeit“. Doch räumt sie der „Hip H’Opera“ gerade mal drei Aufführungsabende ein.

„Hip H’Opera Così fan tutti“, heute und morgen, 20 Uhr, Komische Oper Berlin